Page 9 - Brücke 06 2017
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Berufung und Gebet
Diese Frage stellen sich in gewissen Situationen des Lebens wahrschein- lich viele Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven und immer wieder neu. Im Kontext meiner eigenen Berufung bereitet es mir eine große Freude, aus einigen Erfahrungen meines bisherigen Lebensweges ein paar Gedanken zu Berufung und Gebet niederschreiben zu können. In meiner Jugend begann ich mit einer gewissen Neugierde und einer einfachen aber ganz konkreten inneren Sehnsucht nach Gott den Ro- senkranz, bei dem verschiedene Stationen des Lebens Jesus betrachtet werden, einmal täglich in der Freizeit zu beten.
In vielen Situationen jedes neuen Tages begleitet mich das Gebet seither in ganz unterschiedlichen Formen: im Rosenkranz, Stundenbuch, im Wort Gottes, in der Eucharistiefeier, in formulierten Gebeten oder ein- fach in der Stille. Denn im Gebet kommt für mich das große Geschenk der Gegenwart Gottes immer wieder bewusst auch in der konkreten Situation des Alltags zum Vorschein. So zeigt und führt es
in die Beziehung zu Gott, zur grundlegenden Quelle des Lebens. Aber gerade auch in Momenten der Probleme und Schwierigkeiten ist das Gebet für mich immer wieder eine unendlich große Hoffnung – auch wenn diese oft nicht gleich und vielleicht in einem ganz anderen Zusammenhang spürbar erfahren wird. Auf jeden Fall war das Gebet für mich ausschlaggebend, meine Berufung zum Priester zu erkennen, zu vertiefen und zu leben.
Viele überlieferte und persönliche Gebete begleiten die ge- lebte Beziehung zu Gott und Jesus Christus. Eines von diesen ist folgendes von Franz von Assisi, das zu meinen Lieblings- gebeten gehört:
„Herr mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens. Dass ich Liebe bringe, wo man sich hasst. Dass ich Versöhnung bringe, wo man sich kränkt. Dass ich Einigkeit bringe, wo Zwietracht ist. Dass ich den Glauben bringe, wo Zweifel quält. Dass ich die Wahrheit bringe, wo Irrtum herrscht. Dass ich die Hoffnung bringe, wo Verzwei ung droht. Dass ich die Freude bringe, wo Traurigkeit ist. Dass ich das Licht bringe, wo Finsternis waltet.
O Meister, hilf mir, dass ich nicht danach verlange: Getröstet zu werden, sondern zu trösten. Verstanden zu werden, son- dern zu verstehen. Geliebt zu werden, sondern zu lieben.
Denn: Wer gibt, der empfängt. Wer verzeiht, dem wird verzie- hen. Wer stirbt, der wird zum ewigen Leben geboren. Amen.“
Johannes Hofer Seminarist
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