Page 14 - Brücke 06 2017
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Jakob Stichlberger Seminarist
„Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“
In Gal 2,20 verwendet Paulus diesen Satz „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden“ – diese Glaubensüberzeugung sieht Paulus als den Nullpunkt seines neuen Lebens an und bringt eine Grundüber- zeugung von uns Christen zum Ausdruck, dass wir durch die Taufe Anteil erhalten am Leben Christi, das er nach Kreuz und Auferste- hung lebt. Für Paulus beginnt dieses neue Leben, indem man „mit Christus gekreuzigt wird“ – das hört sich radikal an, letztlich ist Sterben und Auferstehen aber ein altes Bild für die Taufe, welches durch das Unter- und Auftauchen im Taufbecken zum Ausdruck kam. Die Taufe zeigt gewiss ihre Wirkung. Was aber bedeutet es für unsere Berufung als Christen, dass wir mit ihm gekreuzigt sind und nun Christus in uns lebt?
Ich denke, dass wir in unserem Leben durchaus Kreuzigungen er- fahren – größere und kleinere. Auf jeden Fall gilt es einzuüben, dass nicht zuerst unser eigenes, irdisches Wohlergehen zählt, sondern die Sache Christi, die seit der Taufe in uns brennt. Für sie müssen wir auch Opfer auf uns nehmen, mancher von sich aus (Entbehrungen der Ehe oder der Ehelosigkeit, aber auch alltägliche Ansprüche
des christlichen Glaubens – sich z. B. Zeit zum Gebet zu nehmen), anderen werden sie aufgegeben. Das Kreuz kann uns hier den Sinn solcher „Opfer“ aufzeigen, was letztlich sich hingeben für eine grö- ßere Sache bedeutet.
Auch das Kreuz Christi schien im Moment des Todes Jesu ohne Sinn, bis Ostern den Horizont des irdischen Zurücksteckens aufgezeigt
hat. Natürlich fällt es uns nicht immer leicht dem Anspruch, dass Christus in uns lebt, gerecht zu werden. Das ist auch für mich im Blick auf das eigene Versagen eine schier unmögliche Aufgabe. Doch hier tut es gut, dass die Initiative des Daseins zuerst von Christus ausgeht, der sich bei der Taufe in uns bedingungslos einwohnt. Auch der Empfang der Eucharistie ist für mich eine sehr konkrete Erneue- rung dieser innigen Gemeinschaft mit Christus, in der uns genau das dazugegeben wird, was uns noch fehlt an der vollkommenen Umset- zung dieses Anspruchs des Kreuzes (oder: der Liebe?).
Dieses Zuvorkommen Christi beschreibt wohl auch Paulus, wenn er sagt „Solang ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.“
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