Page 24 - Brücke 06 2017
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Sr. Michaela Pfeiffer­Vogl Generaloberin der Marienschwestern vom Karmel
Teresa von Avila beschreibt den geistlichen Weg des Menschen als freundschaftliche Beziehung. „Meiner Meinung nach ist inneres Gebet nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt“ (V 8,5). Diese Beziehung gestaltet unser Leben aus der Liebe und bewirkt eine Entwicklung vom „Macher“ zum „Empfänger“. „Ich möchte nur, dass ihr euch bewusst seid, dass es nicht darauf an- kommt, viel zu denken, sondern viel zu lieben.“
(4M 1,7).
Ihren Schwestern schreibt sie: „Ich bitte euch ja gar nicht, dass ihr an ihn denkt ... ich will, dass ihr ihn anschaut“. (CE 42,3) Das Anschauen einer Christusdarstellung heilte nach fast 20 Jahren Klosterleben ihre innere Zerrissenheit zwischen der Sehnsucht nach Gott und den Ab- lenkungen durch die „Freuden der Welt“ (V 8,11). Im Anschauen dieses Bildes begriff sie, dass sie mit ihren Unvollkommenheiten geliebt ist! Johannes vom Kreuz spricht vom „schönmachenden Blick Gottes“.
Der Mensch ist seinem Wesen nach schön, weil er von Gott erschaffen, angesehen und geliebt ist. Die Bekehrung des Menschen ist, den schön- machenden Blick Gottes zu erwidern.
Wenn Menschen die Gottsuche ernst nehmen, so nur, weil „der große König, der in der [innersten] Wohnung dieser Burg (Seele) weilt, (...) sie wie ein guter Hirte mit einem so zarten Pfeifen, dass sie es kaum selber merken, seine Stimme hören lässt, damit sie ... in seine Wohnung zu- rückkehren.“ (4M 3,3). Gott hat unendliche Sehnsucht nach der Freund- schaft mit uns Menschen und es gibt kaum eine Situation im Leben, die wir nicht als Liebeswerben Gottes verstehen könnten.
Beten und Leben als Einheit
Geistliches Leben meint, das ganze Leben von Gott her und auf ihn
hin zu leben. „Es wäre schlimm, wenn man nur in den Schlupfwinkeln inneres Beten halten könnte! Die Liebe hat sich nicht in Schlupfwinkeln zu zeigen, sondern mitten in den alltäglichen Gelegenheiten“ (F 5,16.15). Darauf spielte Teresa an, als sie schrieb: „Wenn euch der Gehorsam Beschäftigung mit äußeren Dingen aufträgt, dann versteht, dass der Herr zwischen den Kochtöpfen weilt, ..., und euch innerlich und äußerlich hilft“ (F 5,8).
Arbeit und Einsatz schmälern zwar die Zeit der ausschließlichen P ege der Freundschaft mit Gott, nicht aber die Freundschaft mit Gott selbst. Die Sehnsucht, im Gebet bei Gott zu sein, ohne den Einsatz für das Reich Gottes zu vernachlässigen, ist ein Zeichen für eine gesunde Spiritualität. Kontemplation schließt ein, dass wir unsere Aufgaben im Alltag erfüllen und den Menschen mit unseren Fähigkeiten dienen. Die Strahlkraft un- seres apostolischen Einsatzes kommt aus der Verwurzelung des eigenen Selbst in Gott.
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Gelebte Freundschaft mit Gott


































































































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