Page 25 - Brücke 06 2017
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Teresa weist für das Gebet auf drei Grundhaltungen hin. „Bevor ich über das innere Beten etwas sage, will ich ein paar Dinge nennen, die für alle, ..., notwendig sind. Der erste Punkt ist die gegenseitige Liebe, ein weiterer das Loslassen alles Geschaffenen, und noch ein weiterer wahre Demut, die der wichtigste ist und alle anderen umfasst.“
(CE 5,3; 6,1)
Demut, Loslassen und Nächstenliebe sind nicht Vorleistungen sondern Konsequenzen der Beziehungsqualität inneren Betens. Demut ist Wahrheit. Wenn wir Gott näher kommen, kom- men wir auch der eigenen - unbequemen, aber zutiefst befreienden - Wahrheit unserer Exi- stenz näher. „Ich halte einen Tag demütiger Selbsterkenntnis, auch wenn er uns viele Nöte und Mühen gekostet hat, für eine größere Gnade des Herrn als viele Tage inneren Betens.“ (F 5,16). Und sie ermutigt: „Möge es Gott gefallen, ..., uns die Gnade zu schenken, dieser Selbsterkennt- nis nie davonzulaufen!“ (6M 10,7), denn auch diese Erfahrung war ihr nicht fremd. Wenn wir uns „im Spiegel Christi anschauen“ (7M 2,8), erkennen wir unsere unvergleichliche Würde als Gottes Geschöpf.
Die Nächstenliebe - auch zu jenen Nächsten, die mir ‚auf den Wecker gehen’ - ist der Prüfstein für unsere Gottesliebe. „Ob wir Gott lieben, kann man nie wissen ..., die Liebe zum Nächsten erkennt man aber sehr wohl.“ (5M 3,8). Andererseits ist Teresa überzeugt „dass wir nie so weit kommen werden, die Nächstenliebe in Vollkommenheit zu haben, wenn sie nicht nach und nach aus der Wurzel der Gottesliebe erwächst“ (5M 3,9).
Mutter der Barmherzigkeit, nicht Mutter der Angst
100 Jahre Fatima
Jahrhunderte lang fürchteten sich die Menschen vor dem Zorn Gottes. Die Kirche predigte ihn aus Überzeugung, dass die Angst vor der Hölle Menschen davor bewahrt, dort auch zu landen. Bei übermächtiger Angst bot Maria Zu ucht. Als Mutter der Barmherzigkeit wurde sie auch welt- weit verehrt. Ein mittelalterlicher Theologe sagte sogar, der Teufel bekla- ge sich bei Gottvater über diese himmlische Anarchistin. Sie vermöge all jene zu retten, die durch strenge Gerechtigkeit verurteilt werden. Wenn man ihr dieses Treiben nicht verbiete, wird die Hölle leer bleiben.
Vor 100 Jahren ist sie in Fatima erschienen. In der Zeit der Not sollte
sie vor Kriegen gewarnt, den Kindern aber auch den Himmel gezeigt haben. Und die Hölle. Weil die Kirche nach und nach das Bild des barmherzigen Gottes in den Mittelpunkt rückte, nahmen sich funda- mentalistische Kreise der P ege der „Höllenbotschaft“ an. Als ob Maria einen Gesinnungswandel vollzogen hätte. Ganz nach dem Motto: „Je barmherziger der Vater, umso unnachgiebiger die Mutter.“ Dabei spricht das Gebet von Fatimia nur davon, dass Jesus uns vor der Hölle bewah- ren, und denen helfen soll, die „seiner Hilfe am meisten bedürfen“. Von einer Höllenangst ist da nicht die Rede. Den Schlusspunkt der Botschaft von Fatima stellt der Himmel dar“.
Univ. Prof.
Josef Niewiadomski
Innsbruck
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