Page 28 - Brücke 11 2017
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 Dr. Christian Pichler Leiter Katholisches Bildungswerk OÖ
Berührt vom Leben
Anforderungen an eine zeitgemäße christliche Erwachsenenbildung
Christliche Erwachsenenbildung hat Bedeutung und gibt Deutung
Im Wort Bedeutung steckt das Wort Deutung. Christliche Erwachsenen- bildung deutet das Leben und die Welt in einem christlichen Kontext und richtet sich an einem christlichen Welt- und Menschenbild aus. Worum geht es im Leben? Es geht darum, als Mensch ganz und heil
zu werden! Diese Sehnsucht trägt jeder Mensch in sich. Theologisch formuliert könnte man von der Sehnsucht sprechen, so zu werden, wie Gott mich gemeint hat.
Jeder Mensch ist ein Entwurf! Einiges ist bereits grundgelegt (Wesens- merkmale, Charakterzüge), das andere muss man im Leben entwickeln. Man kann es auch so sagen: „Das Vorwort ist bereits geschrieben, sein Lebensbuch muss aber jeder Mensch selbst schreiben.“ Eine Herausfor- derung besteht darin, dass es dafür keinen Radiergummi gibt. Leben ist schreiben ohne Radiergummi.
Und gerade weil wir unser Leben ohne Radiergummi leben müssen hat Erwachsenenbildung in einem christlichen Kontext eine wichtige Bedeutung für ein gelingendes Menschenleben.
Christliche Erwachsenenbildung sieht Lernen als ein personales und soziales Geschehen
Wo und wie lernen wir unser Leben zu schreiben? Dafür gibt es keine Schule, das Leben selbst ist die Schule.
Wie sind Sie zu dem Menschen geworden, der Sie heute sind? Wo haben Sie im Leben am meisten gelernt? Aus Befragungen wissen wir, dass lernen mit Menschen in Verbindung gebracht wird. Menschen, die uns ein Vorbild gewesen sind: Vater, Mutter, Oma oder Opa,
ein/e gute/r Freund/in, ein/e Lehrer/in oder andere einfühlsame und verständnisvolle Bezugspersonen. Bildung ist also ein personales Ge- schehen und es kommt auf die beteiligten Personen an.
Oft wird lernen auch mit Engagement verbunden. Albert Camus hat einmal gesagt: „Um sich selbst zu erkennen, muss man handeln!“ Das heißt, etwas tun, aktiv werden, gestalten, Verantwortung übernehmen. Ein Engagement stiftet Sinn, gibt Energie und Kraft, trägt zur Selbst(er) kenntnis bei, belebt das Sozial- und Gemeinwesen und man lernt dabei viel für das eigene Leben. Bildung ist also auch ein soziales Geschehen. Zurückkommend auf die Bedeutung unserer Bildungsarbeit, das Leben in einen christlichen Bezugsrahmen zu stellen und sich daran zu orientieren, erinnere ich mich an Frere Roger, Gründer und Prior der ökumenischen Bruderschaft von Taize, der uns gesagt hat: „Lebt das, was ihr vom Evangelium verstanden habt. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebt es!“
Wenn jede und jeder von uns ChristInnen das leben würde, was er bzw. sie vom Evangelium begriffen hat, wäre die Welt ein Stückweit
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