Page 26 - Brücke 11 2017
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 Mag. Franz Asanger Direktor des bischö ichen Schulamtes
Bildung ist die säkularisierte Religion
So lautet eine der Thesen von Konrad Paul Liessmann in seinem kürzlich erschienenen Buch Bildung als Provokation.1 Von Bildung werde heute das Heil der Welt erwartet, man traue ihr Wunder zu: den Ausgleich aller Spannungen, den Spagat zwischen Hochbegabtenför- derung und Inklusion, das Erreichen von Standards ebenso wie die individuelle Förderung aller. Die Pilgerscharen, die aus dem gelobten Land des skandinavischen Nordens zurückkommen, verheißen Erlösung.
So problematisch diese polemische Übertreibung im Detail ist, so scheint sie mir doch auch einen wahren Kern des aktuellen Bildungs- diskurses zu treffen: etwa den Trend zur antithetischen Zuspitzung, wo Einzelpositionen – ich denke hier etwa an die Frage der Inklusion oder der Gesamtschule – zu Glaubensfragen mutieren und deshalb eine abwägende Diskussion erschwert wird.
Von den vielen Fragen, die sich beim weiten Feld Bildung ins Blick- feld drängen, beschäftigt mich eine im skizzierten Zusammenhang ganz besonders: Wenn Bildung selbst zum Religionsersatz wird, wo bleibt dann deren religiöse Dimension? Hat das Religiöse dann bei der Rede vom Menschen überhaupt noch einen Platz? Oder besteht da die Gefahr, dass es – wie es beim Umgang mit der Religionspädagogik im Bereich der Allgemeinen Bildungswissenschaft an den öffentlichen Pädagogischen Hochschulen geschehen ist – zunächst marginalisiert wird und dann über die Zwischenstufe des Interreligiösen schlussend- lich im Interkulturellen weitgehend verdunstet?
Oder nehmen wir als weiteres Beispiel Liessmann selbst, der im eingangs zitierten Buch zu Recht auf die Bildungskraft der großen Erzählungen der Weltliteratur als unverzichtbaren Teil des Bildungs- kanons hinweist, über die Bibel dabei aber kaum ein Wort verliert. Sind wir also auf verlorenem Posten?
Religiöse Bildung als Bestandteil der allgemeinen Bildung
Ich bin kein Freund der polarisierenden Zuspitzung. Mein Ansatz ist ein integrativer. Ich sehe mit Liessmann die Gefahr der Verzweckung von Bildung durchaus, sie darf aber auch nützlich sein, ja muss es sogar. Und musische Bildung ist keine Konkurrenz oder kein Wider- spruch zur ökonomischen, es sei denn, ein Einzelaspekt würde verab- solutiert. Dieses Hineingewoben-Sein in ein Gesamtkonzept gilt auch für die religiöse Bildung. Sie ist nicht Leitdisziplin, nicht Leuchtturm, kein Gegenpol zu den literarischen Fächern oder gar deren bessere Hälfte, sondern integrativer Bestandteil eines Ganzen.
Ich habe auf diesem Hintergrund immer die Überzeugung vertreten, dass die ReligionslehrerInnen-Bildung in die allgemeine Lehrer-
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Bildung als Religionsersatz?
























































































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