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bruecke_11_2015

13 der zuständige Arzt an meine Mama heran. Nie werde ich dieses Bild vergessen, als sie in einem Zimmer auf der Intensivstation mit gefalteten Händen, Tränen im Gesicht, völlig verzweifelt vor dem Heiligen Kreuz stand und um die Hilfe und Barmherzigkeit Gottes betete. Das half meiner Mama in diesem schwierigen Moment eine wichtige Entscheidung für einen erfolgreichen Eingriff zu treffen. Es kam jedoch der Tag, an dem das große, von Liebe erfüllte Herz meiner Oma für immer stehen blieb. Für die Parte wählten wir einen Spruch, in dem das Wort Herz enthalten war und ihre Botschaft ausdrückte: „Wenn ihr mich sucht, suchet mich in euren Herzen. Habe ich dort eine Bleibe gefunden, bin ich immer bei euch.“ Mit ihrer Stimme höre ich sie manchmal diese Worte zu mir sagen - in Situationen, bei denen sie mir so sehr fehlt oder beim Besuch ihres Grabes. Auch der Grabstein hat die schlichte Form eines Herzens. Gott schenkt auch Barmherzigkeit. Bei mir tat er dies, indem zwei Jahre später meine Tochter das Licht der Welt erblickte. Sie ist in ihrem Wesen, ihrer Mimik und Gestik, besonders aber in ihrem Aussehen ihrer Uroma sehr ähnlich. Wer barmherzig ist, handelt mit Herz, denn Barmherzigkeit fließt aus einem Herzen, welches selber Barmherzigkeit erfahren hat. Schon der bekannte französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry schrieb in seiner Erzählung „Der kleine Prinz“: Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Heutzutage sind es doch oft die „kleinen“, für uns selbstverständlichen Handlungen eines Menschen, die diese Barmherzigkeit ausdrücken. Meine Familie und ich sind voller Dankbarkeit für die Barmherzigkeit und bedingungslose Liebe, die wir von unserer Oma erfahren haben. In unseren Herzen lebt sie weiter.


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