Page 30 - Brücke 06 2017
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Florian Sachsenhofer Seminarist
Im letzten Winter durfte ich, wie alle Propädeutiker, ein 5-wöchiges Praktikum in einem Betrieb verbringen, der sich dem Dienst am Menschen verschrieben hat. Für mich war das das Kreuzschwestern- spital in Wels, einem der größten Krankenhäuser in Oberösterreich. Dort war ich auf der Internen Klassestation eingesetzt, ein Ort wo ich Menschen mit schweren Krankheiten begegnete und sie zum Teil in ihren letzten Stunden erlebte.
In eindrücklicher Weise ist mir bewusst geworden, was es bedeutet krank zu sein: Der Kranke ist anderen Personen in allem ausgeliefert. Er muss, ob er will oder nicht, seinen Leib dem P egepersonal über- antworten, sein Leben den Ärzten und seine Zukunft der ungewissen Entwicklung seiner Krankheit und damit, wenn man so will, Gott. Dadurch verliert er immer mehr seine Eigenständigkeit und die Frei- heit über sich selbst zu bestimmen. Daher ist es nur allzu nahelie- gend, dass in einer Zeit in der dies das Mensch-Sein ausmachen soll, der Ruf nach einer Beendigung eines solchen Lebens ohne Perspekti- ven auf Heilung laut wird.
Dabei wird jedoch das Eigentliche des Mensch-Seins übersehen. Denn ich durfte erfahren, wie gerade beim Eindringen in sehr intime Sphären der Patienten deren unveräußerliche Würde fühlbar wurde und scheinbar in meinen Händen ruhte – in all ihrer Zerbrechlich- keit und ihrem doch unfassbaren Wert. Sei es beim Eingeben des Essens, beim Waschen oder einfach beim Zuhören: Immer wieder lag es an mir, die Kranken als die zu behandeln, die sie in Wahrheit sind: Abbilder Gottes.
Da drängte sich mir die Frage auf: „Was wenn ich dieser Verantwor- tung nicht gerecht werde?“ Eine Unachtsamkeit, Überforderung oder einfach Zeitdruck, schnell passiert es, und man behandelt die einem Anvertrauten nicht mehr mit der Hingabe und Liebe, die ihnen als Kinder Gottes gebühren. Die Antwort gab der Blick auf den Gekreu- zigten: Er, der absolut Entwürdigte ist auferstanden und damit ist es Gott, in dem seine Würde und damit die Würde aller Menschen ruht – auch meine eigene. Mit dieser Gewissheit ist es möglich, gleichsam mit Christus die Würde dieser Menschen zu tragen. Wenn wir aber zugeben, dass wir alle immer wieder auf unsere Unvollkommenheit und unser Angewiesen-Sein zurückgeworfen sind, kann dieser Ge- danke unseren Umgang miteinander insgesamt prägen: Wenn wir die Würde des anderen tragen, weil wir wissen, dass sie schlussendlich in Christus ruht und von ihm getragen wird.
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Sozialpraktikum


































































































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