Page 5 - Brücke 06 2018
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Diakonie ist mehr als eine anonyme Spende – sie ist Beziehung.
Ein Beispiel aus Spanien
In der Karmelitenpfarre „Nuestra Señora de Begoña“, in der meine Woh- nung während meiner Zeit in Madrid war, fanden an Werktagen zwei Messen statt, eine am Morgen, eine am Abend. Oft ergab es sich, dass ich an einer dieser Messen teilnahm. „Stammgast“ bei diesen Messen war auch immer Pablo, ein Obdachloser. Vor und nach der Messe stand er vor der Kirche und bat um eine Spende. Einige der Kirchenbesucher nützten die Gelegenheit, mit ihm ein wenig zu plaudern, man könnte fast sagen, er war ein integriertes Gemeindemitglied, kein Fremdobjekt, dem man herablassend ein paar Münzen hinschmeißt. Auch der zele- brierende Pater nahm sich nach der Messe manchmal Zeit, um mit Pablo zu reden. Wo genau er die Nächte zubrachte weiß ich nicht, jedenfalls sah man ihn auch tagsüber in den Siedlungen der näheren Umgebung umherziehen.
Für mich war die geschilderte Situation ein schönes Beispiel einer diakonischen Kirche, weil es konkreter menschlicher Dienst vor Ort war. Von Zeit zu Zeit der Caritas zu spenden und sich damit vielleicht sein Gewissen zu beruhigen, dass irgendwo auf der Welt mit diesem Geld je- mandem geholfen wird, vielleicht sogar in einer Form, die ich nicht ein- mal befürworte, entspricht meiner Ansicht nach weniger den biblischen Texten zu diesem Thema, die oft von sehr konkreten Hilfeleistungen sprechen und nicht davon, dass Christus in institutioneller Form Nächstenliebe betrieben hätte. Vielmehr scheint mir geboten, konkreten Menschen im eigenen Umfeld, die in irgendeiner
Form arm oder verstoßen sind, das Geliebt- und
Angenommensein von Gott zu vermitteln. Das geht
über Geldspenden weit hinaus, das bedeutet für
mich vor allem ehrliches Gespräch. Mir helfen sol-
che Gespräche auch immer, abzuschätzen, ob eine
Geldspende sinnvoll ist. In meiner „Heimatpfarre“
in Spanien war dies auf nahezu perfekte Weise
verwirklicht. Wenngleich Pablo objektiv betrachtet
ein Bettler war, war das Geben und Nehmen von
Geld überhaupt nicht mehr das zentrale in der
Begegnung mit ihm. Vorrangig war ein paar Sätze
zu wechseln – das Almosengeben ging nebenher
und erschien in keinster Weise unangenehm. So
kann ein Aspekt diakonischer Kirche eben in der
ehrlichen Begegnung mit armen Menschen beste-
hen, ganz fernab größerer kirchlicher Strukturen,
die sich der Linderung von Not annehmen.
Jakob Stichlberger Seminarist
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