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bruecke_06_2016

4 nach Österreich erleben und bewerten. In mehreren Begegnungen haben wir begonnen uns zu sensibilisieren und zu informieren. Dabei ist der Wunsch zu helfen deutlich geworden, zugleich die Ratlosigkeit, wie man es anstellen soll. Bei Jugendlichen, die gerade die Maturaklasse besuchen oder ein Studium begonnen haben, wollte ich nicht einen sehr großen Einsatz verlangen. Aber hin und wieder ein paar Stunden mit unbegleiteten Jugendlichen aus Afghanistan verbringen, damit diese Freundschaft und Interesse von Seiten hier beheimateter Menschen erleben, dazu waren sie gerne bereit. Jedes dieser Werke würde eine ausführliche Abhandlung verdienen und es wäre nicht schwer, Heilige und andere Persönlichkeiten zu finden, die eines davon (oder mehrere) symbolisieren und repräsentieren. Die entscheidende Frage ist aber, wie kann ich herausfinden, was „meins“ ist? Auf welches Werk der Barmherzigkeit soll ich mich konzentrieren? Wozu bin ich begabt und berufen? Ich gehe davon aus, dass bereits eine Betroffenheit – eben der besagte Schmerz über das Elend und die Nöte anderer – gegeben ist. Obwohl wir ehrlicherweise zugeben müssen, dass wir uns dieses oft ersparen wollen. Aus Angst vor emotionaler, zeitlicher und kräftemäßiger Überforderung schauen und hören wir lieber gar nicht so genau hin – sei es im Großen unserer Welt, somit auf jenes Elend, das in den Medien auf mich zukommt, sei es in meiner kleinen Welt. Lieber blende ich aus, was sich so zeigt an Problemen und Schwierigkeiten bei meinen Verwandten, meinen Nachbarn, Arbeitskollegen, Bekannten aus der Pfarrgemeinde usw. Mit jenem „Was kann ich da schon tun?“ ziehen wir uns mehr oder weniger elegant aus der Affäre. Das ist die alltägliche Niederlage des Evangeliums, der Botschaft Christi! Und das bedeutet eine Schwächung des Christlichen (Geistes) und damit ein weiteres Verschwinden und Verdunsten Gottes aus unserer Welt. Die Zweifler, die Zyniker, die Schwarzseher, alle „Wurschtigen“ (Gleichgültigen) und somit alle Vertreter eines „wunschlosen Unglücks“ bekommen wieder ihr Recht. Ich bleibe dabei: Bevor ich auf die Frage, was ich konkret tun soll, eingehen kann, muss ich überprüfen, ob ich mich vom Elend und den Problemen anderer betreffen lasse. Und ich meine, das ist das erste und grundsätzliche Werk der Barmherzigkeit, und es ist gar nicht selbstverständlich. Wenn jemand feuchte Augen bekommt oder seufzen kann über das unfassbare Schicksal notleidender Menschen, so ist das nicht nutzlos. Es kann in ein Gebet münden, womit wir schon bei einem Werk der Barmherzigkeit angekommen wären: für die Lebenden und Verstorbenen beten.


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