Page 23 - Brücke 11 2017
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Darum sind für das Christentum das Gebet und das Argument eine unteilbare Einheit. Das Theologiestudium ist die Schule des Argumen- tierens. Um das zu können, muss ich in die intellektuellen Welten der Menschheit wenigstens ein Stückweit eingedrungen sein.
Im Konzil von Trient (1545-1563) forderte das katholische Lehramt erstmals die verp ichtende theologisch-wissenschaftliche Ausbildung des Klerus. Es versuchte damals einen Aspekt der Krise, die zur pro- testantischen Reformation führte, zu beheben: die Ungebildetheit des niederen Klerus. Es war eine weitblickende Maßnahme in Bezug auf die neu entstehende Wissensgesellschaft, die heute noch viel domi- nanter und herausfordernder geworden ist. Wissen ist die wichtigste Ressource der gesellschaftlichen Entwicklung. Die besondere Wissens- form des Glaubens ist das Heils- und Sinnwissen. Dieses Wissen muss sich dem Weltwissen der Technik, Wirtschaft und Wissenschaft auf dialogische Weise stellen. Nur so wird der Glaube in der Tiefe unseres Lebens verankert. Die großen Theologen und Theologinnen waren Meister der Verbindung von Welt- und Heilswissen. Eben deshalb ist für mich das Theologiestudium eines der faszinierendsten Studien überhaupt. Die Theologie ist heute sicher nicht mehr die „Königin“ der Wissenschaften, schon eher eine der gebildetsten und zugleich verkanntesten „Mägde“ in der Akademie der Wissenschaften. Bei dieser Magd in die Lehre zu gehen, sollten Diener und Dienerinnen des Glaubens nicht scheuen.
 
































































































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