Page 22 - Brücke 11 2017
P. 22

 Univ. Prof. Dr. Franz Gruber Rektor KU-Linz
In der Lehre der „Magd der Wissenschaften“ – wozu Theologie studieren?
Wer mit der Intention in das Theologiestudium kommt, später ein- mal einen kirchlichen Beruf auszuüben, wird auf eine harte Probe gestellt. Denn man betritt eine Welt, die anfangs schwer zu verstehen ist und auch eigene Glaubensvorstellungen hinterfragt. Nicht zuletzt ist unklar, wozu man den immensen Lernstoff, den man sich aneignet, einmal konkret brauchen wird. Aber das Theologiestudium ist nicht Mystagogie, es ist Einübung in die „Logik“ der Gottesrede, und es dau- ert viele Jahre der intellektuellen Beschäftigung mit biblischer, syste- matischer und praktischer Theologie, mit Philosophie, Religionswis- senschaft, Kirchengeschichte und vieles mehr. Ich verstehe es deshalb, wenn Theologiestudierende in Krisenzeiten mit der berühmten Frage des antiken Kirchenlehrers Tertullian liebäugeln: „Was hat also Athen mit Jerusalem zu schaffen, was die Akademie mit der Kirche, was die Häretiker mit den Christen? Unsere Lehre stammt aus der Säulenhalle Salomos, der selbst gelehrt hatte, man müsse den Herrn in der Einfalt seines Herzens suchen. (...) Wenn wir glauben, so wünschen wir über das Glauben hinaus weiter nichts mehr.“
Doch Tertullians Rationalitätsfeindlichkeit hat sich nicht durchgesetzt; andernfalls wäre der christliche Glaube vor allem durch Bibelausle- gung und Kirchenrecht, so unverzichtbar diese auch sind, abgesichert worden. Es wäre keine Theologie entstanden, die im ständigen Dialog mit Philosophie und Wissenschaften stünde; keine Kirche, die Univer- sitäten hervorgebracht hätte; keine Kultur, die den religiösen Glauben kritisch re ektieren dürfte.
Warum also Theologie für einen pastoralen Beruf? Der vielleicht wichtigste Grund wird von der Hl. Schrift selbst angesprochen: Im Johannesprolog heißt es, dass Gott „Logos“ ist. Das heißt nicht nur „Wort“, sondern auch Vernunft, Verstehen, Sinn. Damit ist ein ratio- nales Gottesverständnis artikuliert: Auch wenn wir Gott niemals rati- onal völlig ergründen können, so hat das frühe Christentum sehr bald schon den intellektuellen Diskurs mit den Philosophen und Heiden gesucht und den eigenen Glauben in eine rationale und systematische Form gebracht. Menschen, die in der Verkündigung stehen, überneh- men auch intellektuelle Verantwortung, wie es der Erste Petrusbrief fordert: „Seid aber jederzeit bereit zur Verantwortung jedem gegen- über, der Rechenschaft von euch über die Hoffnung in euch fordert“ (1 Petr 3,15). Und der Apostel Paulus schreibt: „Ich will nicht nur im Geist beten, sondern auch mit dem Verstand.“ (1 Kor 14,15) Denn der Verstand ist das Medium, mit allen Menschen zu kommunizieren.
20





























































































   20   21   22   23   24