Page 16 - Unsere Brücke / Dezember 2022 bis Juni 2023
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 Sr. Rita Kitzmüller OSE
Elisabethine, Kran- kenhausseelsorgerin im Ordensklinikum Linz Elisabethinen.
Nicht lange her, besuchte ich eine Patientin auf unserer Palliativ- station. Kaum hatte ich das Zimmer betreten, fragte sie mich auch schon: „Kommen sie von der Kirche?“ „Ja“, erwiderte ich, „da komme ich her.“ Sie fuhr fort: „Schon vor 27 Jahre bin ich aus der Katho- lischen Kirche ausgetreten. Noch nie hatte ich das Gefühl, dass diese Tatsache jemand interessiert.“ „Ja,“ sagte ich, „ich interessiere
mich für Sie und wie es Ihnen geht.“ Und so begann ein intensives Gespräch, über ihre Lebensgesichte, ihre Erkrankung bis zu ihrer jetzigen Situation und dem nahenden Sterben.
„Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen; wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren, wie es mit ihnen steht.“ So lautet ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe. Tatsächlich sprechen wir von der nachgehenden Seelsorge. Wir müssen zu den Menschen gehen, zu ihnen stehen, ihnen zuhören und sie unterstüt- zen. Dies zählt für mich zum Grundverständnis von Seelsorge und von einem kirchlichen Dienst. Mir ist es wichtig, den Sehnsuchts- bewegungen im Innern der Menschen nachzuspüren und sie in dieser Sinnsuche zu begleiten. Oft kommen wir über die Lebensfragen zu den Sinnfragen und schließlich zu den Glaubensfragen, der Frage nach Gott. Jede Begegnung hinterlässt bei meinem Gegenüber und bei mir Spuren. Ziel ist dabei nicht, auf Fragen eine Antwort zu wissen, sondern gemeinsam das Hier und Jetzt sein zu lassen.
Ich sehe in der Arbeit im Krankenhaus einen Grundauftrag der Kirche: für die Menschen an der Basis da zu sein. Kranke Menschen, die oft mit schweren Beeinträchtigungen leben, spüren, aus welcher Moti- vation heraus jemand sie besucht. Durch die Begegnungen direkt am Krankenbett wächst das Vertrauen und Menschen erzählen aus ihrem Leben. Sie sagen öfter: „Darüber habe ich noch nie mit jemanden gesprochen.“ Das berührt mich dann oft selbst und ich gehe be- schenkt aus dem Krankenzimmer. Abgesehen von der Begleitung der Menschen, arbeiten wir mit den unterschiedlichsten Berufsgruppen im Krankenhaus interdisziplinär zusammen. Wir sind somit kultur- prägend für unsere konfessionelle Einrichtung. Dies drückt sich in der Gestaltung von kirchlichen Festen (Elisabethfest, Weihnachtsfeiern, usw.) oder in mitarbeiterspezifischen Feierlichkeiten (Jubiläumsfeier, sommerliches Grillfest) aus.
Spirituelle Angebote wie Morgenbesinnung im Advent, Mittagshalt in der Fastenzeit oder Tage der Stille werden für die Mitarbeiter*innen angeboten. Diese Veranstaltungen können Kraftquellen sein, um den herausfordernden Arbeitsalltag zu bewältigen.
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„Kirche, wo bist du!?“


























































































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