Page 18 - Unsere Brücke November 2020
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 P. Josef Thorer SJ
Spiritual im Priesterseminar Innsbruck und Feldkirch
Der Mensch ist geschaffen ... so beginnt das Exerzitienbuch des Ignatius von Loyola. Was er hier in ‚Prinzip und Fundament‘ aus- führt, ist in der Tat ein fundamentaler Inhalt unseres Glaubens. Es bestimmt auch die Art und Weise, wie andere Menschen sich und die Welt verstehen. Kein Mensch kann selber über seinen Anfang bestimmen. Bevor er denken und wählen kann, ist er schon. Er verdankt sein Leben. Das gilt für jeden Menschen. Aber wem ver- dankt er es?
• Einem blinden Zufall, der unter den unzähligen Möglichkeiten zu diesem überaus komplexen Gebilde geführt hat, dass der be- treffende Mensch darstellt?
• Einem zielgerichteten, aber unpersönlichen Prozess (Evolution), der als Möglichkeit in den Bausteinen des Universums angelegt ist?
• Einem persönlichen Willen, der hinter Vorgängen der Natur steht? Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, von welcher Art die Beziehung des Menschen zu diesem Schöpfer ist: Ist er nur eine gesteuerte Marionette im Spiel eines Gottes? Ist er ge- schaffen, um Gott oder Göttern zu bedienen? Ist er geschaffen zu einer Beziehung, die auf einer gewissen Gegenseitigkeit beruht?
Die letztgenannte Antwort entspricht der biblischen Botschaft und damit dem jüdisch-christlichen Glaubensverständnis. Diese Auf- fassung sagt uns nichts über die Entstehung der Welt. Gleichwohl hat diese Auffassung tiefgreifende Auswirkungen darauf, wie ich die Welt, meine Rolle und mein Verhalten in ihr verstehe. Wenn die Welt und in ihr der Mensch sich dem Willen Gottes verdanken, bedeutet das, dass Gott sich darin aussagt und mitteilt. Was das heißt, kann ich mir mit einer nachvollziehbaren menschlichen Si- tuation vor Augen führen: Was mache ich – mit einem Geschenk, mit dem mir jemand seine Zuneigung zeigt? Wenn ich das Ge- schenk achtlos beiseite lege und mich gleich dem Geber zuwende, wird er sich in seiner Mühe für das Geschenk und dem, was er da- mit sagen wollte, nicht gewürdigt sehen. Wenn ich mich hingegen nur noch mit dem Geschenk beschäftige und den Geber nicht mehr beachte, werde ich der Absicht, die mit dem Geschenk verbunden ist, ebenfalls nicht gerecht. Es braucht beides: Die Wertschätzung des Geschenks und den Blick auf den Geber. So entspricht dem Glauben an Gott als dem Schöpfer der wertschätzende und achtsa- me Umgang mit den Dingen der Welt und über sie der Blick auf Gott selber. Sowohl eine Geringschätzung der Welt wie auch eine Vergötzung der Welt sind darum unangemessen. Vom Schöpfungs- verständnis lassen sich grundlegende Verhaltensregeln lassen
sich ableiten: Es geht darum, Gott anzuerkennen als den letzten
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Der Mensch ist geschaffen

























































































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