Page 10 - Unsere Brücke November 2020
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sie sich freuen. Ihr Beitrag am Gedeihen der Pflanzen und ihre Freude am Ertrag bilden für diesen Psalm einen wesentlichen Be- standteil wohlgeordneten Welt. V 16-17 wenden sich noch einmal den Pflanzen nun den Bäumen zu, die ebenfalls getränkt werden,
um ihre Funktion, den Vögeln ein Zuhause zu geben, zu erfüllen.
In dieser Funktion werden auch die Berge erwähnt, die trotz ihrer scheinbaren Unzugänglichkeit den Klippschliefern Zuflucht bieten (V 18). Bei dieser Wanderung des Blicks - von den Bergen in die Täler und wieder zurück - sieht der Psalm überall einen geordneten und strukturierten Lebensraum, der allen Lebewesen Platz bietet.
Der nächste Abschnitt (v 19-23) wendet sich der Dimension der Zeit zu. Auch sie zeigt sich - ganz ähnlich wie der Raum - wohl struktu- riert. Die Gestirne künden die Festzeiten, die Folge von Tag und Nacht ermöglicht die Nutzung desselben Raums ohne Konflikte, während die einen schlafen, sind die anderen aktiv.
Angesichts dieser Ordnung, die der Psalm staunend beschrieben hat, hält der Psalmist in V 24 inne, um Gott und seine mit solcher Weisheit geschaffenen Werke zu preisen.
Anschließend lenkt der Psalm den Blick auf das Meer, doch auch dort, wo in der Vorstellung der biblischen Zeit mythische Ungeheuer leben, zeigt sich dank Gottes Voraussicht Ordnung (V 25-26). Nachdem der Raum nun umfassend betrachtet ist, bleibt noch eine große Frage im Hinblick auf die Zeit, der sich der Psalm am Schluss zuwendet: wie steht es um die Lebenszeit? Und auch hier sieht der Psalm Ordnung, es ist ein gottgewolltes Kommen und Gehen, Gott ruft ins Leben und er ruft auch wieder zurück. Auch dieser ständige Erneuerungsprozess ist Teil der göttlichen Fürsorge (V 27-30).
Am Ende bricht der Psalm noch einmal in einen Jubel aus und be- kundet seine Freude an dieser Welt (V 31-34).
Erst der letzte Vers ruft die Leser*innen wieder in den Alltag zurück, wenn die Sünder, also jene, die gezielt die Ordnung stören, erwähnt werden. Der Wunsch, dass diese nicht mehr sein mögen, ist verständ- lich, aber es wird nicht infrage gestellt, dass auch sie ein ständiger Bestandteil dieser Welt sind. Es ist auch das Wissen darum, was alles nicht funktionieren und bedrohlich sein kann, das den Blick des Psalms prägt und dem dieser das Staunen über die Stabilität und Ord- nung der Welt entgegenhält. Es ist ein bewusstes Innehalten, zu dem dieser Psalm einlädt, die Wiederentdeckung des Staunens, das hinter allen Störungen die Schönheit und Ordnung zu erkennen vermag und sich darüber freuen kann. Auf diese Weise kann der Perspektiven- wechsel auch zur Lebenskraft werden, die in den Schlussvers des Psalms einstimmt: „Preise JHWH, meine Lebenskraft - Halleluja“.


























































































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