Page 23 - unsere brücke
P. 23

mir das bewusstmache, dann scheint es mir, dass dies eine fast nicht zu schaffende Aufgabe ist. Der Papst und seine Verwaltung, die in Rom ihren Hauptsitz haben, sollen über eine Milliarde Katholiken weltweit zusammenhalten! - Das ist nur möglich, wenn es einen regen Austausch zwischen der Zentrale und den Teilkirchen gibt, wenn gegenseitiges Verständnis der Teilkirchen vorhanden ist und das Mit- einander von Respekt und Demut getragen ist.
Man merkt aktuell, wie unterschiedlich sich die Teilkirchen in Europa, Amerika, Afrika, Asien entwickeln, was mitunter auch zu Spannungen und Auseinandersetzungen führt. In Afrika gibt es bei- spielsweise einen enormen Aufschwung der Kirche, während sich in Europa die Kirche schwertut, den Menschen ihre Lehre verständlich zu machen. In China scheint es zwei Kirchen zu geben, eine „Staatli- che“ und eine, die im Untergrund agiert. In Amerika ist die katholi- sche Kirche eine unter vielen christlichen Glaubensgemeinschaften. Es wundert daher nicht, dass sich die Herausforderungen und Bedürf- nisse der Teilkirchen ganz unterschiedlich darstellen. Oft hat man den Eindruck, in der Kirche geht einfach gar nichts weiter. Soll man also einen eigenen Weg einschlagen, der den je eigenen Anforderun- gen und Bedürfnissen gerecht wird? Oder ist es doch gut und richtig, sich zu besinnen, Geduld von sich selbst zu fordern und gemeinsam, wenn auch etwas träge, einen gemeinsamen Weg zu gehen? Diese Fragen stellen sich die Gläubigen sicherlich nicht erst seit dem
21. Jahrhundert. Das sind Fragen, derer sich die Kirche immer schon annehmen musste und an denen sie auch wachsen konnte. Und so haben wir einen gewaltigen Erfahrungsschatz von zwei Jahrtausenden Kirchengeschichte.
Die Diskussionen und Themen, die uns heute innerhalb und außer- halb der Kirche beschäftigen, zeigen uns, wie lebendig und in Bewe- gung vieles ist. Das Ringen um die Wahrheit zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Kirche und der Menschheit.
Beim Besuch der Kurie in Rom habe ich gemerkt, wie schwer es für die Mitarbeiter der Kurie ist, allen Ansprüchen und Erwartungen ge- recht zu werden und dennoch eine einheitliche Kirche zu bewahren. Sie müssen viele verschiedene Meinungen, Lebensumstände, Sicht- weisen, Positionen in ihre Reformüberlegungen einbeziehen und dabei die Heilige Schrift und die Tradition nicht aus den Augen ver- lieren.
Mir ist bei der Studienreise bewusstgeworden, wie sehr wir als Kirche abhängig sind von Gott und dass wir alle eine lebendige Beziehung zu Gott brauchen.
 21




























































































   21   22   23   24   25