Page 25 - Brücke 11 2018
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(Pastorale) Erfahrungen im Berufsalltag
Diesen Sommer arbeitete ich bereits zum dritten Mal im Rahmen eines Ferialjobs bei der Post. Diesmal war ich in einem eher siedlungsge- prägten Gebiet eingesetzt, was ein Gegensatz zu den beiden vorherigen Sommern war, in denen ich beide Male einen sehr ländlich geprägten Rayon hatte. Es bestätigte sich das, was ich in Pfarreien schon wahrge- nommen habe: am Land bzw. im Dorf ist es wesentlich einfacher, neue Menschen kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen. Da gibt es keine Anonymität und ich würde auch behaupten, dass die Men- schen nicht so kurz angebunden sind. Natürlich muss man sagen, dass diese unterschiedlichen Menschenschläge nicht zu verallgemeinern sind, dennoch habe ich mich persönlich immer mehr zur Seelsorge auf dem Land hingezogen gefühlt. Da mich der letzte Teil meines Rayons in ein dünn besiedeltes Gebiet außerhalb des Ortes führte, wurde dies förmlich greifbar. Dort gab es mehr Gespräche und viele Menschen freuten sich nicht nur über ihre Briefe, sondern auch über einen Small- talk mit mir.
Ein Briefträger ist für viele Menschen, denen er Post bringt, auch so etwas wie ein Seelsorger. Viele interessieren sich, wer man ist und woher man kommt. Für einige ist man aber auch erster Ansprechpart- ner für allerhand persönliche Probleme. Da sind nicht nur die Nach- barn, die Verwandtschaft oder Krankheit Thema, es ergeben sich auch hie und da religiöse Gespräche, obwohl die Leute nicht wissen, dass ich dafür tatsächlich ein prädestinierter Gesprächspartner bin. Es ist oft beeindruckend, wie viel einem von – vor allem älteren – Mitmen- schen in einem oft nur kurzen Gespräch mitgegeben wird. So ist man nicht nur einer, der gibt – sei es die Post oder die Zeit für ein kurzes Gespräch – sondern auch einer, der von den Menschen, denen er be- gegnet Lebenserfahrung, Herzlichkeit oder auch Vertrauen empfangen darf. Die Zeiten, in denen ein Postbediensteter sehr viel Zeit für Ge- spräche hat, sind allerdings auch vorbei (was aus wirtschaftlicher Sicht sehr zu begrüßen ist) und so ist es manchmal schwer, zu entscheiden, wem man nun wie viel Zeit widmen kann.
Ähnliches gilt auch für die Kollegenschaft, wo man gerade auch junge Menschen kennenlernt, die mit der Kirche keinen Kontakt haben, die sich aber natürlich genauso ihre Gedanken über Gott und die Kirche machen. Da kann die Zigarette nach der Arbeit schon zum pastoralen Rauchopfer werden.
Jakob Stichlberger Seminarist
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