Page 11 - Brücke 11 2018
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sondern die gesamte Lebenszeit gehört zum einen und einzigen Ausbildungsweg (im Original steht für „ständig“ „unico“, d.h. es geht um den einen und einzigen Weg). 24 Stunden am Tag und dies 365 Tage im Jahr sind demnach Ausbildungszeit. Dahinter steht die Überzeugung, dass der Mensch einer und unteilbar ist. Alle Momente im Leben eines Menschen sind in die Jüngerschaft Jesu einzubeziehen, auch wenn es dann auf dem Weg spezifische Ausbildungsphasen und Stationen gibt.
2. Merkmal: ganzheitliche Formung
Dieser Formungsweg ist zweitens „in einem ganzheitlichen Sinn zu verstehen“. Die vier bereits in den bisherigen Dokumenten ge- nannten Dimensionen der Ausbildung, nämlich die menschliche Reifung, die geistliche Formung, die theologische Bildung und die pastorale Befähigung, können nicht voneinander getrennt werden, sondern bedingen und fördern einander. Nur, wenn alle Aspekte der Person und wenn alle vier Dimensionen sich harmonisch entfalten, „bilden und strukturieren sie die Identität des Semina- risten und des Priesters und befähigen ihn zur ‚Selbsthingabe an die Kirche‘, die der Inhalt der pastoralen Liebe ist“.
3. Merkmal: gemeinschaftliche Formung
Stärker als in bisherigen Dokumenten betont die neue Ratio – im Ernstnehmen des Selbstverständnisses der Kirche seit dem II. Vatikanischen Konzil sowie der Lehre der letzten Päpste – die gemeinschaftliche Dimension des Formungsweges. Die „Aus- bildung hat von Anfang an einen eminent gemeinschaftlichen Charakter. Die Berufung zum Priestertum ist nämlich [...] ein Weg der persönlichen Heiligung und der Heiligung anderer, der nicht auf individualistische Weise bewältigt werden darf...“ Gemein- schaft ist nicht etwas für „Schwache“, die das Priestersein allein nicht bewältigen; sie ist auch kein notwendiges Übel während der Seminarzeit, das man nach der Weihe möglichst rasch hinter sich lässt. Kirche ist Communio, Sakrament der Einheit der Menschen mit dem Dreifaltigen Gott und der Menschen untereinander.3 Priester sind Diener dieser Communio-Kirche und können dies nur sein, wenn sie selbst Communio leben und bezeugen können. Hier ist in der aktuellen Rahmenordnung eine Akzentverschie- bung spürbar von einer tendenziell individualistischen Spirituali- tät des Priesters hin zu einer verstärkt gemeinschaftlichen Spiritu- alität, wie sie von den letzten Päpsten gefördert wird.4
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