Page 6 - Brücke 11 2017
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 Florian Sachsenhofer Seminarist
Im letzten Herbst durfte ich das Studium der Theologie in Innsbruck be- ginnen, das einen wesentlichen Bestandteil der Ausbildung zum Priester darstellt. Wir Seminaristen lernen dabei von der Philosophie über die Bibelwissenschaft bis zur Dogmatik unseren Glauben zu re ektieren und immer tiefer zu verstehen. Dabei geht die Theologie wissenschaftlich an die Fragen über Gott und die Kirche heran. Aber kann dieser Zugang der etwas so von persönlicher Erfahrung abhängiges wie den Glauben behan- delt, diesem überhaupt gerecht werden und muss er sich nicht zwangs- läu g in Spekulationen verirren? Noch dazu scheint Jesus die - wie wir heute sagen würden - „Hochgstudierten“ von wahrer Erkenntnis Gottes auszuschließen: „In dieser Stunde rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus: Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmün- digen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.“ (Lk 10, 21f)
Ich glaube, um den Anspruch der Theologie verstehen zu können, müssen wir den Blickwinkel wechseln. Wir werden über Gott nie reden können, wie wir es mit anderen eindeutig wissenschaftlichen Bereichen wie den Naturwissenschaften tun können. Deshalb kann es der Theo- logie auch nicht darum gehen, das Mysterium Gottes wissenschaftlich aufzuklären. Vielmehr kann sie aber, wenn sie recht verstanden wird, eine Schule des Staunens sein. Ich meine damit, dass je mehr wir mit klarer Vernunft und strenger Methodik uns an das Geheimnis Gottes heranwagen, es uns umso größer und tiefer erscheinen wird. Dann wird uns mit gesteigertem Wissen unsere eigene Unmündigkeit gegenüber der unfassbaren Größe Gottes immer mehr bewusst. Sich darauf einzulassen braucht jedoch Demut als den Mut, sich und seine Vorstellungen von der Welt und Gott selbst, IHM ganz und gar anzuvertrauen.
Dieser geforderte Mut lässt nun das Studium der Theologie, sowie jede andere Form des Lernens von Gott und seinem Wort, als eine Form des Gebetes, als geistliches Lebens aufscheinen. Umgekehrt ist ja jedes Gebet auch immer eine Auseinandersetzung mit der Offenbarung Gottes. Wenn wir in der Liturgie das Wort Gottes hören und die heilige Eucharistie mitvollziehen, wenn wir im Rosenkranz das Leben Jesu betrachten oder einfach nur Gott als „Vater“ oder „Herr Jesus Christus“ oder „Heiliger Geist“ ansprechen: Das Vertrauen auf Gott, das sich im Gebet ausdrückt hat seine Wurzeln in dem Wissen, das wir durch seine Offenbarung von ihm haben. Und so dürfen wir auch unsere Ausbildung, die ja wesentlich aus Studium und Gebet besteht, als einen Weg der Selbsthingabe und des Glaubens sehen, den jeder Christ geht, wenn er sein Leben und die Welt mehr und mehr mit den Augen Gottes zu sehen und entsprechend zu handeln beginnt. Denn ein solcher innerlicher Vorgang hat zwangsläu g
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Vom Studieren zum Staunen





























































































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