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4 Die eschatologische Dimension der Priesterseminarkirche Die Priesterseminarkirche darf in ihrer jetzigen Erscheinungsform wohl zu Recht als „Barockjuwel“ von Linz bezeichnet werden. Aber nicht nur aufgrund ihrer künstlerischen Ausgestaltung hat diese Kirche Beachtung verdient. Mit der vertikalen Ausrichtung des ovalen Zentralbaus ist es Johann Lucas von Hildebrandt (1668–1745) gelungen, den Besucher in zwei unterschiedliche Dimensionen eintauchen zu lassen. Auf der einen Seite wird der Betrachter durch die Helligkeit des Deckengewölbes, welches sich aus der Farbwahl sowie der natürlichen Beleuchtung durch die sieben lichtspendenden Glasfenster ergibt, wie in einem Sog in die Höhe gezogen. Andererseits findet man sich mit der optisch verlängerten Altarnische in einer Längsausrichtung wieder, deren Zentrum Christus der Kreuzigungsszene von Martino Altomonte (1657–1745) darstellt. Sowohl die mit natürlichen Lichteffekten und hellem Stuck symbolisierten himmlischen Sphären (der stuckierte thronende Vater bildet das Zentrum), als auch die Intimität der Kreuzigungsszene ziehen den Betrachter in ihren Bann. Altomonte greift die Lichtmotivik des Raumes in seinem Altarbild auf und inszeniert den Lichteinfall gegen jede logische Sinnhaftigkeit. Das Licht kommt wider Erwarten von oben, nachdem am Bild selbst Sonnenfinsternis herrscht. Der Lichtstrahl scheint seinen Ursprung in den himmlischen Sphären zu haben, wodurch Himmel und Kreuz in Kommunikation treten. Diese Ambivalenz von Himmel und Kreuz im barocken Bau thematisiert der Künstler Josef Bauer (*1934) mit seinem im heurigen Jahr neugestalteten Altar. Die Altarplatte ruht auf einem Unterbau, welcher das Wort UND bildet. Das Wort UND verdeutlicht das Geschehen am Altar, wo die Gaben der Gemeinde gewandelt werden; Himmel und Erde verbinden sich im „Geheimnis des Kreuzes“. Diese Spannung von Himmel und Kreuz wird dabei nicht negiert, sondern bleibt bewusst offen. Damit wird in moderner Weise jene Botschaft nochmals zum Ausdruck gebracht, welche das Patrozinium der Kirche (Heiligkreuz) zu vermitteln versucht: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ (1 Kor 1,23f.) Der am Ausgang des ovalen Kirchenraums angebrachte Wahlspruch von Bischof Joseph Anton Gall (1748–1807) ruft dem Besucher beim Verlassen der Kirche dieses christliche Paradoxon nochmals in Erinnerung: In Cruce Salus (Im Kreuz ist Heil). Florian Wegscheider Assistent für Liturgiewissenschaft an der Katholischen Universität Linz


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