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10 Barmherzigkeit im Herbst 2015 Herbst 2015 – Flüchtlinge dominieren die Schlagzeilen hier bei uns, früher waren es Fernsehbilder – sie berührten uns kaum. Wir konnten uns nicht wirklich vorstellen, was das für die Menschen die auf der Flucht sind, aber auch für die Regionen, wohin sie flüchten konkret bedeutet. Jetzt sind wir aber seit Monaten mitten drinnen in diesen Fluchtbewegungen, auch hier bei uns, mitten im Herzen von Europa. Wir erleben mehrere Facetten: große Hilfsbereitschaft, aber auch große Angst, Ablehnung und Sorge um unser christliches Europa. Selbst in Kirchenkreisen hören wir von wachsenden Zweifeln. Was bedeutet in diesen Wochen Barmherzigkeit? Fast scheint es, als hätte Papst Franziskus geradezu prophetisch das kommende Heilige Jahr gerade in diese Zeit hineingestellt, in der ganz Europa um Frage ringt, wie es gelingt, dass wir menschlich und barmherzig bleiben. Unser Papst Franziskus ruft uns mit seinem persönlichen Beispiel und seine Worten ganz deutlich in Erinnerung, dass es für uns Christinnen und Christen ein Auftrag und eine Verpflichtung ist Barmherzigkeit zu leben und in unserer Gesellschaft Zeugnis dafür abzulegen: ..“Barmherzigkeit ist das grundlegende Gesetz, das im Herzen eines jeden Menschen ruht und den Blick bestimmt, wenn er aufrichtig auf den Bruder und die Schwester schaut, die ihm auf dem Weg des Lebens begegnen. Es gibt Augenblicke, in denen wir aufgerufen sind, in ganz besonderer Weise den Blick auf die Barmherzigkeit zu richten und dabei selbst zum wirkungsvollen Zeichen des Handelns des Vaters zu werden“ Zitat aus der Schrift zum Hl. Jahr von Papst Franziskus Es gilt am Bahnhof und anderswo, die Angst zu besiegen durch barmherziges Handeln. Dazu ganz konkret aus unserem Caritas-Einsatz am Linzer Hauptbahnhof eine kleine erlebte Geschichte: Eine syrische Familie mit einem schwerstbehinderten nicht gehfähigen 9jährigen Buben und einem Baby stand Ende September bei uns am Bahnhof. Sie hatten zwar einen Antrag auf Asyl in Oberösterreich gestellt, die Behörde wies ihnen aber keinen Platz in einem Quartier zu. Somit war diese Familie obdachlos, stand bei uns am Bahnhof. Wir improvisierten binnen kurzer Zeit für sie einen Übergangsplatz in St. Isidor, wo die Familie sich eine gute Woche lang erholen konnte. Mittlerweile hat sie nun einen Platz in einem Flüchtlingshaus. Was lernen wir aus dieser und zahlreicher anderer Erfahrungen von unserem Einsatz am Linzer Bahnhof? Nun, Barmherzigkeit ist weniger ein Reden als ein Tun. Es bedeutet genau hinzusehen, sich (be) rühren zu lassen, aber auch noch handlungsfähig zu bleiben. Es heißt Franz Kehrer Caritasdirektor OÖ


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