Page 9 - unsere brücke / Juni bis Dezember 2022
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Vertraue, aber wirke mit.
Beruf kommt von rufen. Berufung von gerufen sein. Gott ruft. Das ist die „Wurzelgnade“ unseres Lebens. Er ruft nach uns, nach mir und dies immer wieder. „Adam - Wo bist Du?“ (Gen 3,9). Früh hat mich diese Frage Gottes fasziniert. Gott sucht den Menschen, fragt, ruft nach ihm, nach mir. Und wenn er ihn, wenn er mich gefunden hat, beginnt er ein Gespräch. Im besten Fall wird daraus ein lebenslanger Dialog. Die Psalmen geben in einzigartiger Weise Zeugnis dafür. Und unüberbietbar der Gott-Mensch selbst, Jesus, durch seinen Todes- schrei: „Mein Gott, mein Gott warum hast Du mich verlassen?
(Mk 15,34 / Ps 22,2)
„Adam - Wo bist du?“ und die Worte aus dem Mund des sterbenden Jesus bei Markus (s.a. Lk 23,46) sind für mich im Laufe der Jahre
zu einer Chiffre für die Sorge des Schöpfers und das Vertrauen des Geschöpfs geworden. Sie umfassen wie eine „weite Klammer“ den lebensstiftenden Dialog der beiden.
Die Geschichte der Berufung des Samuel (vgl. 1 Sam 3, 2-10) erscheint mir wie eine Folie. Mit ihrer Hilfe lerne ich noch immer, meine Lebensberufung zu buchstabie-
ren, zu ordnen und zu deuten.
Auch ich höre den Ruf, der mich weckte und weckt. Und auch ich begegne immer wieder erneut Menschen, die mir Hilfe dabei sind, die Stimme zu identifizie- ren, den Ruf zu deuten, seine Be- deutung für mich zu erschließen.
Die „Eli´s“ in meinem Leben, waren und sind es bis heute - Frauen und Männer, die mich durch persönliche Begegnung, durch ihr Verständnis, ihre geist- liche Erfahrung gelehrt haben. Von ihnen lerne ich, im Hinhören zu fragen und zu unterscheiden, was mich freut und niederdrückt, wodurch ich andere erfreuen und vielleicht ermutigen kann, was mein Leben zur Entfaltung bringt und das anderer fördert. Dies geschah und geschieht in persön- lichen Begegnungen, ebenso aber
P. Klaus M. Schweiggl SJ
seit Herbst 2021 Priesterseelsorger in der Diözese Linz Steckbrief des Autors: 72-jähriger Christ,
davon 49 Jahre Jesuit und 40 Jahre Priester