Page 5 - unsere brücke / Juni bis Dezember 2022
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 und Notleidenden gehört wesent- lich zu den Weiheversprechen.
Paulus betont immer wieder,
dass im Schwachen die Stärke,
im Kreuz die Kraft Gottes und
in seiner Niederlage die Auf-
erstehung anbreche. Diese nur
scheinbar paradoxe Logik des
Evangeliums scheint mir für die
Bestimmung priesterlicher Exis-
tenz heute absolut unverzichtbar
zu sein. „Denn ich habe vom
Herrn empfangen, was ich euch
überliefert habe: In der Nacht,
da er verraten wurde, nahm der
Herr Jesus Brot“ (1 Kor 11,23). Die
Evangelien und Paulus thema-
tisieren diese Verwicklung von
Eucharistie und Verrat. Diese
Verwicklung zeigt sich im Ge-
brauch des Wortes „paradosis“
bzw. „traditio“ für die Selbst-
hingabe Jesu wie auch für den Verrat durch Judas, gerade auch im Zusammenhang mit dem Herrenmahl.
Unsere Sendung, unsere Stellvertretung ist Dienst an der Welt und den Menschen mit all ihren Sorgen und Nöten. Stellvertretung be- wahrt in uns eine Haltung der Offenheit und schützt davor, dass wir uns in eine Enklave zurückziehen. Wenn wir nur noch das Gleiche reproduzieren oder unsere kirchliche Heimat verteidigen wollen, würden wir den Untergang verwalten, nicht aber zukunftsfähig sein.
Die radikalen Veränderungen in der Gesellschaft und auch der Strukturwandel in der Kirche sind vielleicht auch eine Chance, uns von neuem aus dem Evangelium zu erneuern. Da haben wir teilwei- se ganz von vorn zu beginnen. Das aber bedeutet nicht, dass wir die Geschichte der letzten bald 2000 Jahre hinter uns lassen sollen. Aber es bedeutet, das Evangelium heute neu zu lernen, mit jenen Men- schen, mit denen wir auf dem Weg sein werden. Das Evangelium neu zu lernen, bedeutet aber immer sowohl Umkehr und Erneue- rung, als auch Begeisterung und Mut zum Aufbruch.
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