Page 4 - unsere brücke / Juni bis Dezember 2022
P. 4

 Bischof
Dr. Manfred Scheuer
„Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein.“ Der evangelische Christ Dietrich Bonhoeffer fragte sich und andere Ende 1942: „Sind wir noch brauchbar?“ Oder sind wir verbraucht und so müde geworden?
Der sakramentale priesterliche Dienst wird bis in die innere Mitte der Gemeinden und bei Priestern selbst radikal infrage gestellt.
Wozu sind wir noch gut? Braucht man uns noch? - Jedes Amt ist Dienst, und zwar Dienst in einer Kirche, die als universales Sakra- ment des Heils der Welt (LG 1) der Gegenwart des Reiches Gottes
zu dienen hat. Sakramentalität ist das konkret-geschichtliche, in leibhaftigen Zeichen ausgedrückte und ratifizierte Versprechen,
dass Gott mit uns ist. Bei aller Einheit gibt es zwischen Kirche und Christus auch eine wesentliche Differenz. Das kirchlich-ordinierte Amt bringt in der Kirche selbst die Differenz zwischen Evangelium und Gemeinde, d.h. zwischen Christus und Kirche institutionell zum Ausdruck. Der priesterliche Dienst stellt diese Verwiesenheit auf Christus, das immer unverdiente Geschenk der Selbstzusage Gottes in Jesus Christus dar. Priester sind nicht die „Macher“ und sakra- mentales Handeln stellt die Gegenwart Gottes nicht her, sondern
dar. Ein Priester und damit auch die Kirche hat also keine eigene Kompetenz oder autonome Souveränität, sondern vertraut dem Wort Jesu und bittet um die Gegenwart Christi durch den Geist.
Es wäre fatal, den christlichen Glauben auf bloße moralische Gebote zu reduzieren. Das Wort des Lebens und der Liebe können wir nicht selbst aus dem eigenen Bauch, aus der eigenen Befindlichkeit oder Betroffenheit hervorzaubern. – Ebenso verheerend wäre doktrinäre Verengung des Glaubens. Glaube wäre nur noch die Zustimmung zu Sätzen, die mir das kirchliche Lehramt vorgibt.
Der sakramentale Dienst der Priester hat der Berufung, Heiligung und Versöhnung aller Menschen zu dienen. Das kirchliche Amt hat die Aufgabe der evangeliumsgemäßen Verkündigung und Predigt, die „Mysterien Christi, besonders die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung“ (Weiheversprechen) zu feiern. Priester sind mit dem Dienst beauftragt, Einheit immer neu zu ermöglichen, und zwar in und durch die Zeit. Dem Amt ist in besonderer Weise auch der Dienst der Versöhnung und des Friedens aufgetragen. Und die Diakonie, der Dienst an den Armen und Kranken, den Heimatlosen
2
Brauchen wir Priester?























































































   2   3   4   5   6