Page 22 - unsere brücke / Juni bis Dezember 2022
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 Mag. Markus Menner
Pfarrer von Ostermiething Pfarrprovisor von Haigermoos, Rieders- bach, St. Pantaleon, St. Radegund
„Aus dem Tagebuch eines Landpfarrers“ –
erfülltes Priester­Sein in einer vielschichtigen
und sich verändernden Gesellschaft
Unlängst war ich mit Bekannten zu Besuch im Stift Wilhering. Dort im Stiftsmuseum, fand die wieder aufgefundene spätgotische Brunnen- schale neue Verwendung, kombiniert mit dem Zitat des Ordensvaters Bernhard von Clairvaux: „So wie eine Brunnenschale, die zuerst das Wasser in sich sammelt und es dann überfließend weitergibt.“
Die Botschaft ist klar, die dem Besucher hier mitgegeben wird: Es ist beglückend, etwas Besonderes geben zu dürfen, etwas, das mit ganz- heitlich gelingendem Menschsein zu tun hat.
So erlebe ich mich in meinen vielfältigen Aufgaben als Pfarrer und Pfarrprovisor für sechs Pfarren im Dekanat Ostermiething. Vieles dürfen wir da den Menschen schenken im Feiern unterschiedlichst gestalteter Gottesdienste und anderer sakramentaler Angebote,
die gottvoll und menschennah etwas erahnen lassen von Gottes aufrichtender, befreiender Kraft und seiner Nähe!
Ohne Frage, da muss ich ganz präsent sein und durch meine volle „Brunnenschale“ überfließend das „Wasser des Lebens“ weitergeben. Aber inmitten all dieser, auch an die Substanz gehenden „Arbeit“ geschieht dann oft unerwartet auch das Wunder des Beschenkt- Werdens! Etwa, wenn nach Jahren des Wirkens in großer Vertrautheit die Feiergemeinde wie eine „Familie“ erscheint und ich spüren darf, ein Teil davon zu sein. Oder wenn ich, der ich so gerne singe, die vie- len mitsingenden Stimmen wahrnehme und der Kirchenraum erfüllt ist vom begeisterten, vielstimmigen Lob Gottes. Oder eine Whatsapp- Nachricht folgenden Inhalts: „Ich finde es wunderbar, dass du es schaffst, für jeden ein Lächeln zu haben, ihnen das Gefühl zu geben, willkommen zu sein und ihnen wirklich von Herzen etwas mitzu- geben.“ Berührt und reich beschenkt gehe ich oft auch wieder nach Hause nach einer Krankensalbung, wo ich nicht selten ein mit letzter Kraft ausgesprochenes „Danke!“ vernehme. Oder, auf der anderen Seite der Skala menschlichen Daseins angesiedelt, die Begegnung mit Kindern, die mir oft das Herz öffnen...
Freilich gibt es, wie in jedem beruflichen und persönlichen Alltag auch, die andere Erfahrung, die Erfahrung der leeren Hände, also das Mühsame, das Ungenügen.
Da hilft mir dann immer das Wort des Dichters Werner Bergengruen: „Liebt doch Gott die leeren Hände, und der Mangel wird Gewinn.“ Dieses Wort stärkt mich im Vertrauen, meinen priesterlichen Weg voll Zuversicht weiterzugehen und auf Gottes vervollkommnendes Tun zu vertrauen.
und Tarsdorf
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