Page 15 - unsere brücke / Juni bis Dezember 2022
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Warum Priester?
Warum sind Sie Priester geworden? So werde ich öfter gefragt. Dann erzähle ich von meinem Onkel, der auch Priester des Stiftes St.Florian war, von Kaplänen und Pfarrern aus meinem Heimatort St.Oswald bei Freistadt, die mir Vorbild waren. Es war und ist die persönliche Begeg- nung – da bin ich überzeugt – die einen motivieren und überzeugen kann. Dann waren da auch meine Eltern und meine Verwandten, die diesen Wunsch unterstützt haben, was nicht selbstverständlich war.
Der Wunsch, Priester zu werden, war das eine. Wie es aber konkret leben? Die Chorherren im Stift St.Florian waren mir nahe und so wurde ich einer von ihnen. Die Verbindung von Klosterleben in und mit Gemeinschaft und zugleich Pfarrer in einer Pfarre sein zu können war schon eindrucksvoll.
Nun bin ich seit über 30 Jahren Priester und immer auch in einer Pfarrei. Die Freude ist mir nicht ausgegangen! Auch wenn es oft müh- sam ist und die Besprechungen und Sitzungen zeitmäßig viel mehr Kraft in Anspruch nehmen, als es gut ist, so ist es doch die Begegnung mit den Menschen und das Miteinander, dass mich an diesem Beruf so hängen lässt. Den Menschen Gottes Nähe bei einer Taufe oder einer Familienfeier zusprechen zu können, sie zu begleiten in den schweren Tagen einer Trauer um einen geliebten Menschen, macht mir Freude. Ihnen Rituale anbieten zu können, die auszudrücken vermögen, was sie für sich, für ihr Kind oder sonst jemand wünschen, tut nicht nur ihnen, sondern auch mir gut.
Freilich hätte ich gerne mehr Zeit für Gespräche und würde gerne nicht so sehr den Eindruck des Wenig-Zeit-Habenden erwecken. Immer weniger Menschen entscheiden sich für den Dienst als Priester und so werden immer weniger mit mehreren Aufgaben betraut.
Und doch: Wie verkünde ich das Wort Gottes – mit meinem Denken, Reden und Tun- darauf kommt es meiner Meinung nach an. Empfinde ich es nur mehr als Last, dieses oder jenes machen „zu müssen“ oder haben es die Menschen nicht vielmehr „verdient“ eine offene, freund- liche, entgegenkommende Kirche durch mich zu erleben. Gerade bei Feiern sind oft einige dabei, die aus der Kirche ausgetreten sind, aber auch ihnen möchte ich einfach menschlich und mit Respekt begegnen.
Als Priester bin ich nicht Herr über andere, sondern darf Menschen durch meinen Dienst Gottes Nähe sagen und zeigen und der Kirche ein menschliches Antlitz geben.
Mag. Werner Grad
Dechant des Stiftes St. Florian
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