Page 10 - Unsere Brücke - Ausgabe 06 2021
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Transhumanismus – technologische schöne neue Welt?
Länger und gesünder leben, mit dem Wissen eines Lexikons brillieren und die eigenen Emotionen im Griff haben – wer will das nicht? Die immer einflussreicher werdende Bewegung des Transhumanismus ver- spricht es mithilfe moderner Technologien. Durch gentechnologische und pharmakologische „Verbesserungen“ und mittels Mensch-Maschine- Schnittstellen (Cyborgs) sollen die aktuellen Grenzen des Menschseins in jeder Hinsicht überschritten und dadurch das gute Leben gefördert werden. Genschere, Dopingmittel und Uploads des eigenen Geistes auf Computer sind für Transhumanisten das Mittel der Wahl. Ziel ist der
Mag. „Posthumane“, eine neue Stufe im vom Menschen selbst in die Hand
  Johannes Lackner
Seminarist der Erzdiözese Salzburg
genommenen Evolutionsprozess, die weniger Leid und mehr Glück verheißt. Was von diesen Idealen realisiert werden kann, steht in den Sternen. Gesellschaftlich wirkmächtig sind sie trotzdem. Dazu reicht ein Blick in das jüngste Buch von Weltwirtschaftsforum-Gründer Klaus Schwab. Im Hintergrund stehen finanzielle und machtpolitische Interes- sen technologischer Eliten aus dem Silicon Valley. Wird der Transhuma- nismus sein technoutopisches Heilsversprechen einlösen können? Führt seine Agenda nicht vielmehr zur digitalen Versklavung des Humanen? Welches Menschenbild steckt hinter der transhumanistischen Vorstel- lung einer technisch machbaren schönen neuen Welt?
Was Transhumanisten stört, ist das Unverfügbare am Menschen. Dass es Aspekte des Menschseins gibt, die wir nicht selbst gemacht haben, son- dern die uns gegeben sind, ist für Transhumanisten anstößig. Es ist an- stößig, dass wir als die Personen geboren werden, die wir eben sind, mit allen genetischen und charakterlichen Stärken und Schwächen; dass wir älter werden, dass wir leiden müssen, dass wir sterben. Transhumanis- ten wollen alle Unverfügbarkeiten in die menschliche Verfügungsgewalt, alle Ohnmacht in Macht überführen – ein Streben, das auch aus der ak- tuellen Debatte um die Sterbehilfe bekannt ist. Sie glauben, dass der Mensch sich seiner selbst durch Technik bemächtigen kann. Dass es technisch nicht machbare Aspekte des Menschseins gibt, ist ihnen fremd – Emotionen, Geist, Liebe, Spiritualität werden als technisch manipulier- bare Phänomene erklärt.
So sehr die Bemühungen, das Unverfügbare technisch verfügbar zu machen, die Welt zu verbessern, das Leid zu lindern, gutgeheißen wer- den dürfen, lehrt uns die Geschichte: Der Versuch des Menschen, die endgültige Erlösung aus eigener Kraft im Diesseits zu schaffen, kann nur in der Katastrophe enden. Ob Nationalsozialismus oder sowjetischer Staatskommunismus – jedes Mal endete dieser Versuch im Horror.
Trägt nicht auch der Transhumanismus das Potential zum Horror in sich? Unterwirft er nicht den Menschen der kapitalistischen Logik von Wachstum, Steigerung und Beschleunigung? Zwingt er nicht den
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