Page 18 - unsere brücke / Juni bis Dezember 2020
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MMag. Franziskus Schachreiter Diakon und
W eihekandidat
„Die Musik ist die einzige Sprache der Welt, die alle Menschen verstehen können.“ Diesem Zitat von Nikolaus Harnoncourt pflichte ich aus eigener Erfahrung bei. Musik kann Menschen mit- einander verbinden und sehr heilsam sein. Sie ist die Sprache der Seele. Wie viel ärmer wäre unser menschliches Zusammenleben, unsere Welt, wenn es die Musik nicht gäbe: in den wichtigen Stun- den des Lebens, in Freud und Leid, bei Gottesdiensten, Festen al- ler Art, zur Unterhaltung, zur Lebensbewältigung, zum Lob Gottes und der Schöpfung, zur Anbetung Gottes usw. Zu Weihnachten hat mir Pfr. Markus Menner das Büchlein von Johannes Bours mit demselben Titel wie diese Brücke-Ausgabe geschenkt: „Nehmt Gottes Melodie in euch auf.“ Bours regt dazu an, sich auf die Su- che zu begeben, die Melodie Gottes zu hören, zu erspüren. Dazu braucht es die Stille, die Kunst sich selber zurückzunehmen, um sich beschenken zu lassen. In der Stille kann ich Gottes Melodie, die eine Melodie der Liebe an mich ist, für mein Leben entdecken. Als Beschenkter werde ich zu einer Stimme in der göttlichen Symphonie. Dieses Hören und Suchen ist ein Prozess.1
Musik habe ich immer gerne gehört, aber noch lieber habe ich selber musiziert. Dabei erlebte ich intensive Momente, die sich mit Worten nur unzureichend beschreiben lassen. Solche „Gänsehaut- Momente“ waren immer wieder auch Momente tiefer Gotteserfah- rung, des Eintauchens in eine zutiefst heilige Sphäre, verbunden mit der Erfahrung des Überwältigt-Seins. Innerhalb der geistlichen Literatur denke ich da z.B. an A. Bruckners Te Deum,
W.A. Mozarts Requiem und an die Passionen von J.S. Bach, um nur einige zu nennen.
Für gläubige Christen kann insbesondere geistliche Musik und die Feier der Liturgie schon im Hier und Heute die Erfahrung und Vorwegnahme des Himmels, der himmlischen Liturgie sein, wo wir in den Gesang der Engel einstimmen und Gott lobpreisen wer- den. Davon kündet die dritte Präfation zu den Wochentagen: „[...] Durch ihn [Christus] loben die Engel deine Herrlichkeit, beten dich an die Mächte, erbeben die Gewalten. Die Himmel und die himmlischen Kräfte und die seligen Serafim feiern dich jubelnd im Chore. Mit ihrem Lobgesang lass auch unsere Stimmen sich vereinen und voll Ehrfurcht rufen.“
Jeder und jede von uns ist ein Unikat und ein geliebtes Kind Gottes. Alle haben wir ganz besondere Gaben von Gott geschenkt bekommen, die unsere Persönlichkeit ausmachen und die wir ent- decken und fördern sollen. Diese Gaben sind aber nicht nur für uns selbst, wir dürfen auch andere daran teilhaben lassen. Wie bei einem Orchester die Einzelstimmen unterschiedlich sind, aber miteinander einen Zusammenklang ergeben, so ist es auch mit der
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Meine/Deine/Ihre Stimme in Gottes Symphonie
 

























































































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