Page 16 - unsere brücke / Juni bis Dezember 2020
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Und bei den unvermeidbaren kleinen Hoppalas fängt man einander auf, lächelt sich vielleicht rasch zu, und findet gleich wieder in den gemein- samen „flow“. Aber dazu muss man sich erstens selber spüren und zwei- tens einander spüren, sonst wird es mühsam. Aber nach einer halben Stunde solchen Singens ist das Blut voll Sauerstoff und der Organismus voll Adrenalin.
Stundengebet allein singen? Angefangen habe ich damit vor fast 10 Jah- ren, als das Projekt „Freitagsvesper im Mariendom“ in mir Gestalt an- nahm. Bevor ich damit „herausrückte“, wollte ich einfach über einige Zeit ausprobieren und üben, welche musikalische Gestaltungsform dafür geeignet sein könnte: „Gotteslob“, „Kleines Antiphonale zum Stunden- buch“ (H. Rohr), „Antiphonale zum Stundengebet“ (G. Joppich) ... ?
Da nicht ausgemacht war, ob sich überhaupt genug Leute für die Sache begeistern würden, und überdies erwartbar war, dass es für so ein Projekt kaum institutionelle Unterstützung geben würde (... eher schon „pas- toral“ formuliertes Unverständnis ...), wollte ich mir wenigstens selber sicher sein: Erstens, ob ich als Verantwortlicher das alles auch stressfrei „draufhabe“. Und zweitens, ob das liturgiemusikalische Format, das die Sache haben sollte, wenigstens mir selber langfristig Freude machen würde. Und siehe da: Als die Sache dann im Herbst 2012 startete und sich als durchaus lebensfähig erwies, ergab es sich ganz von selbst, dass ich die Übung, im Schnitt einmal am Tag eine Tagzeit auch alleine zu singen (... manchmal zu summen, gelegentlich einmal sogar tonarm zu pfeifen ...) beibehielt.
Singen macht eben glücklich. Im Domchor, als Scholare oder Solo- kantor in fetter Akustik, aber auch zu Hause, allein im Arbeitszimmer oder spätabends auf dem Sofa. Übrigens: Der „shut down“ der letzten Wochen hat die „Freitagsvesper“ zwar aus dem Klangraum des Marien- doms vorübergehend ausgesperrt, aber wir haben kurzfristig improvi- sierte Aufnahme im (akustisch zugegeben dürftigen) virtuellen Raum des Videokonferenz-Portals „zoom“ gefunden. Gleichzeitig-gemein- sames Singen und Sprechen funktioniert da wegen der Zeitverzögerung im Netz zwar nicht wirklich, aber dafür singen wir uns die Hymnen- strophen, Antiphonen und Psalmverse gegenseitig und abwechselnd zu. Bisher musste jedenfalls noch keine einzige Vesper wegen mangelnder Beteiligung ausfallen. Und am kommenden Freitag, 15. Mai, dürfen wir uns – ich rechne mit einem Grüppchen von ca. 10 bis 12 Leuten –
im Chorgestühl und im Presbyterium der größten Kirche Österreichs weiträumig aufteilen und wieder zum Lob Gottes und zur Freunde der Menschen richtig singen. Ich freu mich riesig darauf.
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