Page 15 - unsere brücke / Juni bis Dezember 2020
P. 15

Der Anspruch, „alles mitzubekommen“ ist nie einlösbar, aber das braucht natürlich nicht zu stressen: Die Protagonisten des Stundengebets kommen ja – wie gute alte Bekannte – ohnehin immer wieder einmal „vorbei“. Uns was heute übersehen wird, poppt vielleicht beim nächsten Mal als die Entdeckung auf. Außerdem: Wir haben zum Beten ja nicht nur unser Bewusstsein, sondern auch unseren Leib. Und da kommt jetzt wieder das Singen ins Spiel.
Beim Singen, obwohl es eine geistig hochkomplexe Tätigkeit ist, über- nehmen trotzdem unser Leib und seine Sinne die Führung. (Darum ist regelmäßiges Singen auch so gesund.) Stundengebet in klassischer grego- rianischer Psalmodie zu singen – egal ob deutsch oder lateinisch – ist noch einmal etwas Besonderes: Es ist eigentlich ganz einfach, aber we- gen seiner archaischen Einstimmigkeit steht es unter einem besonderen Anspruch. Sich in einer Kantor/innengruppe oder Gemeinde in Sprach- rhythmus und tonaler Färbung „zusammengesungen zu haben“, schafft eine Vertrautheit, die schwer zu beschreiben oder zu vergleichen ist. (Vielleicht am ehesten mit Tanzen.) Es gibt keinen starren Takt, die je neuen Wortgebilde und Sinnbögen geben den Rhythmus vor. Einmal führt die eine Stimme, dann übernimmt eine andere den „lead“.
 13
































































































   13   14   15   16   17