Page 8 - Unsere Brücke 06 2019
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 Jakob Stichlberger Seminarist
Die Seligpreisungen –
der Personalausweis der Christen
„Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich.“
Vor Gott arm zu sein, bezieht sich nicht nur auf die materielle Ar- mut. Vielmehr bedeutet diese Seligpreisung für mich, vor Gott ein Bedürftiger, ein Empfangender zu sein und zu bleiben. Das Bewusst- sein, dass wir alle unsere Güter, aber auch unsere Fähigkeiten und guten Seiten Gott verdanken, ist wohl eine zentrale Erkenntnis des Glaubens an den Gott, der alles geschaffen hat.
Damit im Einklang steht auch die zweite Seligpreisung: „Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“ Sie bringt deutlich zum Ausdruck, dass vieles in der Welt und gerade auch an Mitmen- schen und uns selbst unvollendet ist und der Heilung bedarf. Viel negative Kraft wird von uns genommen, wenn wir auf das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus schauen und dabei Sünde, Unrecht oder Schwäche im Auge behalten. Durch Christus, so glauben wir, ist alles Un-Gute, alle Schuld und Sünde getilgt. Damit soll aber keine apathische Jenseitsvertröstung ausgedrückt sein, sondern die wohltu- ende Gewissheit, dass vielen Unvollkommenheiten an uns selbst und anderen die Erlösung zugesprochen ist.
Im Anschluss daran stellen die folgenden drei Seligpreisungen für mich eine Einheit dar. Sie ermutigen mich zu einem Handeln aus diesem Gottvertrauen heraus. „Selig die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden“ heißt es da, umrahmt von den Seligpreisungen, die zur Gewaltlosigkeit und Barmherzigkeit auffordern. Der Herr sagt uns hier, dass wir nach Kräften nach dem Gerechten und Guten streben sollen. Zugleich brauchen wir uns aber nicht zu schämen, wenn wir mit unserem Handeln an Grenzen kommen, uns schwach fühlen oder uns einge- stehen, dass wir mit legitimen Mitteln nicht immer zur Verhinderung oder Überwindung eines Unheils beitragen können. Da kann die Barmherzigkeit helfen. Sie ist die Haltung, welche die Unvollkom- menheit des anderen zwar nicht vergisst, den Mitmenschen aber auch nicht auf seine Schwächen und Fehler reduziert. Sie hilft mir, den anderen als Abbild Gottes zu sehen und dies auch in zwischen- menschlichen Begegnungen zu zeigen.
„Selig, die rein sind im Herzen, denn sie werden Gott schauen“,
spricht uns Christus als Nächstes zu. Hier handelt es sich wohl um die ultimative Zusage des Heils, wenngleich die Voraussetzung „reinen Herzens zu sein“ etwas weit gefasst wird. Für mich heißt „reinen Herzens sein“, ein Leben zu führen, das geprägt ist, von der Freundschaft zu Christus. Das kann heißen, regelmäßig aus dem Ge- bet Kraft und Inspiration für das Leben und Tun zu schöpfen,
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