Page 16 - Unsere Brücke 06 2019
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  Mag.
Franziskus Schachreiter Seminarist
Der Ruf zur Heiligkeit ergeht an uns alle: „Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!“ (Mt 5,48). Er wird uns immer wieder durch verschiedene heilige Zeichen im Alltag übermittelt und akustisch in Erinnerung gebracht. Zu den heiligen Zeichen gehört in unserem Kulturkreis das kirchliche Glockenläu- ten.
Mein Praxispfarrer ist ein ausgesprochener Kenner von Glocken. Durch ihn bin ich viel hellhöriger geworden, wenn ich das Geläute einer Kirche vernehme. Das Schlagen und Läuten der Kirchenglo- cken verleiht unserem geistlichen Leben eine Struktur und Ord- nung.
Kirchenglocken als „Rufer“ zur Heiligkeit
Mein Namenspatron, der heilige Franz von Assisi, hat nach seiner Rückkehr aus Ägypten die Umsetzung seiner Idee des Gebetläutens im Brief an die Lenker der Völker angeregt: „Lasst Gottes Gegenwart in Eurem Volk alltäglich bewusst werden, indem Ihr jeden Abend durch ein Zeichen alle aufruft, Gott dem Allerhöchsten Lob und Dank zu bringen.“ Die Franziskaner haben diese Idee verbreitet, und der Papst hat 1571 den Brauch des Angelus- läutens für die ganze Kirche eingeführt.
Glocken als heilige Zeichen werden nicht nur gesegnet, sondern sogar geweiht, indem sie der Bischof oder Priester mit Weihwasser besprengt, beweihräuchert und meist an 4 Stellen mit Chrisam salbt. Bei der Glockenweihe wird Gott der Schöpfer mit folgenden Worten angerufen: „Segne diese Glocke, die dein Lob kündet. Sie soll deine Gemeinde zum Gottes- dienst rufen, die Säumigen mahnen, die Mutlosen aufrichten, die Trauernden trösten, die Glücklichen erfreuen, und die Verstorbenen auf ihrem letzten Weg begleiten. Segne alle,
zu denen der Ruf dieser Glocke dringen wird, und führe so deine Kirche von überallher zusammen in dein Reich.“
Diese Worte enthalten zentrale pastorale Anliegen. Als Pfarrpraktikant in Ostermiething trage ich in mir die Hoffnung, wie eine Glocke an den Menschen und der Welt wirken zu können - als Seelsorger im Alltag Gott seine Stimme zu leihen und selber ein Instrument und Werkzeug Christi zu sein. Am Beginn der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ heißt es: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute [...] sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“
Im Kirchturm von Ostermiething hängen fünf Glocken, eine ist dem Heiligsten Herzen
Jesu geweiht, eine dem makellosen Herzen Mariens, eine weitere den beiden Heiligen, Florian und Leonhard (besondere Patrone für Landwirte), eine andere dem hl. Josef und der hl. Barbara (Sterbepatrone) und die fünfte dem hl. Sebastian (Patron der [Pest-] Kranken). Mögen uns die Heiligen in die Anbetung und den Lobpreis Gottes und in ihre Fürbitte mit hineinnehmen.
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