Page 9 - Brücke 06 2018
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 macht mich, wenn mir junge Erwachsene berichten, dass ihnen ein Priester oder eine angeblich charismatische Persönlichkeit mit Verweis auf besondere Einsichten sagt, sie seien zu dieser oder jener Lebensform, an diesem oder jenem Ort berufen.
Damit wir in den Ordensgemeinschaf-
ten, Pfarren und Diözesen der je eigenen Berufung jedes Menschen gerecht werden, sollten wir das Diktat der Zahlen vermei- den. Wir können nicht die heutige Zeit mit früheren Epochen vergleichen. Dadurch lähmen wir uns nur selbst. Im frühen Mönchtum war der Vergleich eine Untu- gend, die zu bekämpfen war: „Vergleiche dich nie mit anderen, und du wirst Ruhe finden.“ Das gilt auch für den Vergleich früherer Eintrittszahlen mit der heutigen Lage. Leider höre ich von jungen Men- schen, die einen Weg ins Priesterseminar oder in den Orden erwägen, wie wenig Unterstützung sie dafür von ihrem eige- nen Umfeld erhalten und wie groß oft der Widerstand aus der eigenen Pfarre ist.
Unser Ordensgründer sieht vor, die zwei bis drei besten Stunden mit der Lesung zu verbringen. Da wächst dann das In- nenleben, es wird von außen genährt und herausgefordert. Die Erneuerung des prie- sterlichen Lebens und der Ordensexistenz muss wohl beim persönlichen Gebet und bei einer lebenslangen Fortbildung anset- zen. Wertvoll ist mir z.B. seit über
15 Jahren ein theologischer Kreis gewor- den. Mit fünf ehem. Studienkollegen treffe ich mich viermal im Jahr. Es ist erstaun- lich, wie viele Fragen des Alltags und auch der verschiedenen Lebensformen anhand eines Buches, das jeder für unser Treffen gelesen hat, dabei zur Sprache kommen.






























































































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