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24 Gedanken zum Jahr der Barmherzigkeit Papst Franziskus hat dieses Jahr als „Jahr der Barmherzigkeit“ ausgerufen. Barmherzigkeit ist ein vielschichtiger Begriff. Einige Aspekte möchte ich hier herausstreichen, was mit Barmherzigkeit angedacht werden kann. Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Leider werden diese Begriffe oft gegeneinander ausgespielt. Soll ich gerecht oder barmherzig sein? So einfach geht das aber nicht. Gerechtigkeit hat stärker das Gemeinwohl und die größeren Gemeinschaften im Blick. Es kommt darauf an, dass grundsätzlich alle zu ihrem Recht kommen, was nicht heißt, dass alle das Gleiche bekommen. Barmherzigkeit setzt stärker beim Individuum an und setzt in Notsituationen alles in Bewegung, damit geholfen werden kann. Dabei kann es sein, dass andere dafür zurückstecken, um in einer Übergangszeit die notwendige Hilfe bereitstellen zu können. Barmherzigkeit und Gerechtigkeit schalten sich gegenseitig nicht aus, sondern ergänzen sich. Barmherzigkeit als Lebenseinstellung Barmherzigkeit ist eine Lebenshaltung, die dem Guten den Weg bereiten soll. Was gut ist, muss nicht immer angenehm sein, wie uns manche Medikamente zeigen. Das Gute anzustreben braucht Geduld und Ausdauer. Barmherzigkeit meint nicht den kurzfristigen Erfolg, sondern ist geprägt von Weitblick, Klugheit, Lebensweisheit und vom Respekt vor dem Leben und der Natur. Unser Papst drückt es so aus: Wir Menschen müssen die Welt und die Natur mit all den Lebewesen und Menschen als unser gemeinsames Haus achten und schützen. Zügelloser Raubbau an Mensch und Welt ist egoistisch, herzlos und unbarmherzig. Die Haltung der Barmherzigkeit hat den Blick auf das Ganze, ist kreativ und steht gegen egoistischen Größenwahn. Zwei Vorbilder möchte hier bringen: Maria, die Mutter Jesu und den Barmherzigen Vater. Mit Herz und Hirn barmherzig sein „Maria bewahrte alles bei sich und erwog es in ihrem Herzen“. So wird in der Bibel die Reaktion Marias auf die wunderbaren Ereignisse rund um die Geburt Jesu zusammengefasst (Lk 2,19). Sie plaudert die Dinge nicht aus und zerredet das Besondere nicht, sondern erwägt die Ereignisse in ihrem Herzen. Wir Menschen brauchen nicht nur unser Hirn, um das Geschehene zu verarbeiten, sondern auch das Herz. Es benötigt alles seine Zeit, damit es verarbeitet werden kann. Heute sind Menschen gefragt, die schnell und spontan reagieren können. Das ist Dr. Johann Hintermaier Regens


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