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Bruecke_06_2015

17 ähnliche Erfahrung im spirituellen Bereich. Im Miteinander beten und feiern werden auch die Unterschiede in der Mentalität und der Inkulturation der Liturgie deutlich. Aber dort wird auch gerade das Gemeinsame sichtbar: Das Wertvolle, das jeder in seinem Dienst im Herzen trägt. Das miteinander zu teilen, zeigt, dass auch das Priestersein sich am „du“ entwickelt – nicht ausschließlich, aber doch auch und gerade am priesterlichen „du“. Ein zweiter wichtiger Erfahrungshintergrund bleibt für mich das Liturgiestudium in Sant’ Anselmo. Dort haben wir vom ersten Tag an gelernt zu begründen, von den Quellen her zu forschen, warum etwas so geworden ist und nicht anders. Das ist zwar zunächst eine wissenschaftliche Tätigkeit, erzieht aber zu einer Haltung, die auch in der Seelsorge hilfreich sein kann. Ich denke, dass es für uns Seelsorger und Seelsorgerinnen zu einer pastoralen Bringschuld geworden ist, zu begründen. Begründen heißt „hinausgehen“ zum anderen, ihn/ sie ernstnehmen, sein/ ihr Anliegen hören können – nicht nur mit den Ohren, auch in der Seele. Begründen heißt auch Interesse an den Gründen haben. Wer nicht hinausgehen möchte, versteckt sich vielleicht hinter den Vorschriften. Aber genauso wenig hilft dem ehrlichen Dialog das egal sein lassen aller Vorschiften. Für die Ausbildung von Menschen, denen die Kirche Seelsorge mit Gespür als Dienst anvertraut, wünsche ich mir ein Dreifaches: Eine geschwisterliche Beziehungsfähigkeit, die in einem Presbyterium den mitbrüderlichen Austausch ermöglicht. Ein wach bleibendes Interesse an den Gründen von dem, was uns vorgegeben ist. Und Freude an der Fortbildung, die wach hält, dass wir nur dort zu Diensten sein können, wo wir uns als Gottes Ebenbild in unseren Seelen ausbilden lassen.


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