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Bruecke_06_2015

16 Seelsorge mit Gespür „Seelsorge“ ist ein wenig in Verruf gekommen. Man spricht lieber von Pastoral. Schließlich geht es dabei ja – richtigerweise – um den ganzen Menschen, und nicht nur um seine Seele, die, wie auch immer, gerettet werden muss. Und was ist die Seele auch? Zu unbestimmt erscheint dieser Begriff. Ein Blick in den Katechismus zeigt aber, dass „Seele“ auch etwas gut Biblisches ist: „In der Heiligen Schrift bedeutet der Ausdruck Seele oft das Leben des Menschen, oder die ganze menschliche Person. Er bezeichnet aber auch das Innerste im Menschen, das Wertvollste an ihm, das, wodurch er am meisten nach dem Bild Gottes ist.“ (vgl. KKK 363) In der Seele spiegelt sich Gottes Antlitz im Menschen. Das heißt, dort sagt der Mensch ganz „ich“, ist er/ sie Person, dort sagt er aber auch „du“, kann er/ sie ganz beim anderen sein. Die Seele ist der Ort der Freiheit. Der Mensch hat die Freiheit, bei sich zu bleiben, oder hinaus zu gehen zum anderen. Eine Freiheit, um die letztlich die gesamte Geschichte des Heiles kreist. Gottes Ebenbild zu sein heißt, ich kann nur „ich“ sagen, wenn ich auch „du“ sage. Am „du“ werde ich zum „ich“. Seelsorge kann folglich nicht einfach nur die Sorge um die Seele des anderen sein, sondern ist immer auch die Sorge um die eigene Seele! Wer um das Wertvollste im eigenen Herzen und daraus die Konsequenzen zu ziehen weiß, dass er/ sie Gottes Ebenbild ist, kann auch das Wertvollste im Herzen des anderen respektieren – und umgekehrt. Seelsorge ist kein Belehren, kein „ich sage dir wie es geht“, sondern sie ist Dialog. Am 6. August 1964 veröffentlichte Paul VI seine erste Enzyklika „Ecclesiam suam“. Im dritten und abschließenden Teil geht es dort um den Dialog als das Wesensmerkmal der Kirche: „Die Kirche muss zu einem Dialog mit der Welt kommen, in der sie nun einmal lebt. Die Kirche macht sich selbst zum Wort, zur Botschaft, zum Dialog.“ (65) Man kann auch sagen: Die Seele der Kirche ist der Dialog. Vier Merkmale sind es, die nach Papst Paul diesen Dialog kennzeichnen: Klarheit, Sanftmut, Vertrauen und Klugheit. (vgl.81) Vier Haltungen, die sich auch mit dem Wort „Gespür“ in einer qualitätvollen Art und Weise zusammenfassen lassen. Zwei Erfahrungen haben mir persönlich geholfen, in so einer Seelsorge mit Gespür zu wachsen. Das erste ist meine Arbeit bei der ARGE der Priesterräte Europas. Neben dem Austausch über die kirchliche Situation in den verschiedenen Ländern, die den Horizont erweitern, gibt es auch eine Dr. Michael Max Pfarrer von Neumarkt am Wallersee, Erzdiözese Salzburg und Präsident des Europäischen Priesterrates


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