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Bruecke_06_2014

21 Ringen mit Gott verstanden werden: Im Ringen mit sich selbst und seinem Schatten setzt sich Jakob mit Gott auseinander. Am Morgen will der Unbekannte entweichen. Doch Jakob lässt ihn nicht los, ehe dieser ihn segnet (Gen 32,27-30). Der Fremde fragt nach Jakobs Namen, und der offenbart ihm seine Identität. Da gibt ihm der Fremde einen neuen Namen: Nicht mehr Jakob, übersetzt Betrüger, soll er heißen, sondern Israel, das heißt Gottesstreiter. Denn mit Gott und Menschen hat er gekämpft und es geschafft, nicht zu verlieren. Die Namensänderung zeigt die Wandlung der Identität. Im Ringen mit Gott und sich selbst hat Jakob es geschafft, ein neuer Mensch zu werden. Weil er sich den dunklen Seiten der eigenen Lebensgeschichte stellt, wird ihm der Neuanfang geschenkt, der Unbekannte segnet ihn. Im Segen wird das Dunkle nicht aus der Welt genommen, sondern in Heil verwandelt für den, der es anschaut und mit ihm ringt: Wer das Dunkle festhält, hält Gott fest. Deswegen nennt Jakob den Ort „Penuel” – „Gottesgesicht”, denn er sagt: Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen (Gen 32,31). Im Kinofilm „Lourdes“ erleidet die scheinbar geheilte Christine am Ende einen Rückfall: Aus heiterem Himmel bricht sie zusammen und ist wieder an den Rollstuhl gefesselt wie vor der Wallfahrt. Den Rest deutet der Film nur an: Dass Christine trotzdem als verwandelter Mensch nach Hause zurückkehrt, und dass sie gerade so dem Gott begegnet ist, den sie zaghaft tastend und fragend suchte.


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