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Bruecke_06_2014

18 Gott ins Spiel bringen – auch in einer finanziellen Angelegenheit? Meine Erfahrungen mit der Kirchenbeitragsstelle Im vergangenen Februar durfte ich 4 Wochen lang als Praktikant in der Kirchenbeitragsstelle Linz mitarbeiten. Ich habe mich für dieses Praktikum entschieden, weil ich nach jahrelanger Erfahrung in der Jugendpastoral einmal einen ganz „anderen“ Bereich kirchlicher Arbeit kennenlernen wollte. Zudem ist das Thema „Kirchenbeitrag“ bei vielen dezent negativ besetzt. Viele erachten es nicht als notwendig, einen finanziellen Beitrag zu leisten, schließlich habe die Kirche ohnehin genug Geld. Außerdem engagiert man sich vielleicht ehrenamtlich in der Pfarre und glaubt, schon dadurch einen Beitrag zu leisten, der den Kirchenbeitrag aufwiegt. Richtig ungemütlich wird es dann, wenn eine Mahnung im Postkasten ist und diese in einzelnen Fällen womöglich mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes oder sogar mit einer Klagandrohung versehen ist. Der Kirche stünde es nicht zu, zu so drastischen Mitteln zu greifen und sie brauche sich dann nicht zu wundern, wenn die Leute austreten. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Mitarbeiter/ innen der Kirchenbeitragsstellen zuallererst mit Menschen Kontakt haben, die ein Problem mit dem Kirchenbeitrag haben. Dabei war ich sehr beeindruckt, mit welcher Ruhe und Gelassenheit in jedem Fall eine Lösung gesucht wird. Trotz der teils heftigen Anfeindungen und offen ausgesprochenen Antipathie der Kirche gegenüber, bleiben die Mitarbeiter/innen der Kirchenbeitragsstellen freundlich, korrekt, entgegenkommend – und in der Argumentation lösungsorientiert. Ein Aspekt ist mir besonders aufgefallen: Menschen mit hohem Einkommen beschweren sich häufiger als Menschen in prekärer, existenzbedrohender Situation. Aus ersterer Gruppe ist man schnell mit Austritts-Drohungen konfrontiert – aus zweiterer hört man eher den drängenden Wunsch „auf jeden Fall dabei bleiben“ zu wollen. Immer dann, wenn Menschen zur Vorsprache erschienen sind, die in ihrem Leben vor großen Problemen stehen - weil sie keine Arbeit haben, weil sie Schicksalsschläge zu verkraften haben, weil sie verschuldet oder schwer krank sind – dann habe ich gemerkt, dass die Arbeit der Mitarbeiter/innen in einem hohen Ausmaß seelsorgliche Arbeit ist (und nicht wie von mir vermutet eine reine Zahlen-Berechnungs- Schreibtisch-Arbeit). Da kommt dann Gott ins Spiel: wenn es darum geht zuzuhören, aufzubauen, Hoffnungsperspektiven zu eröffnen und als ersten Schritt zu vermitteln, dass der Kirchenbeitrag „kein Problem“ ist. Ich habe in dieser Praktikumszeit wirklich sehr drastisch erlebt, wie viele arme Menschen es gibt. Menschen, die ich in meinem Alltag nicht „sehe“ und – wie ich leider auch vermute – Menschen, die von der Reinhard Fischer Theologiestudent


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